New York Fashion Week

Sogar Anna Wintour wippt den Kopf zum Beat

Zahlreiche Superstars, große Mode-Spektakel und fünf Partys an einem Abend: Auf der New Yorker Modewoche feierte die Branche das Comeback der Metropole. Ein Überblick.

Die New York Fashion ist zurück. Und zwar richtig: So viele Celebrities und Partys hat das Modeevent seit Beginn der Pandemie nicht gesehen. Es gibt einiges aufzuholen, und so gab es in der vergangenen Woche schon mal Abende, an denen Schauenbesucher zu fünf After-Show-Partys an einem Abend eingeladen wurden. Dumm nur, dass man am nächsten Tag wieder frisch sein musste, um das Pensum an Shows und Events zu schaffen. Masken trug so gut wie niemand – die Stadt hat sich von so gut wie allen Corona-bedingten Sicherheitsmaßnahmen getrennt. Die Gäste schien das nicht zu stören. Das waren die Highlights.

 

 Der denkwürdigste Model-Auftritt

Schon der erste Tag der New York Fashion Week lieferte einen Schlagzeilen-tauglichen Auftritt. Das italienische Modehaus Fendi feierte das 25. Jubiläum seiner bekannten “Baguette”-Bag. Schon vor einigen Wochen hatte die Marke das Event angekündigt, mit einer Kampagne, für die das Supermodel Linda Evangelista engagiert wurde. Evangelista, eine Ikone der 90er-Jahre, hatte sich in den vergangenen Jahren aus der Öffentlichkeit und dem Mode-Business zurückgezogen, der Grund: Ein missglückter Schönheitseingriff namens “Fat Freezing”, der sie entstellte. Für Fendi trat sie nicht nur vor die Kamera zurück, sondern auf den Laufsteg – wenn auch nur kurz. Erst zum Finale erschien die 57-Jährige in einem Tiffany-blauen Umhang.

Der auffälligste Trend

Fransen. Und zwar lange, dünne Fransen, die vor allem an Röcken hängen und die Beine umspielen. Solche Entwürfe sah man beispielsweise bei Khaite, Michael Kors und Jonathan Simkhai.

Jonathan Simkhai
Michael Kors
Michael Kors
Khaite
Khaite

 Die beliebteste Farbe

Während viele Menschen gerade erleben, wie Inflation und Energiekosten ihr Budget auffressen, bleiben die Umsätze der großen Luxusmarken auf Rekordniveau. Ob das so bleibt weiß niemand, doch zumindest in Sachen Modedesign kann man mit einem Goldregen im Frühling setzen: Die Farbe Gold war in zahlreichen Kollektionen zu sehen. Gabriela Hearst entwarf Leder-Tops, die an goldene Brustplatten erinnerten, bei Proenza Schouler schimmerte ein Volantrock aus einem gold-metallischen Material, Tory Burch kombinierte einen goldenen Ledermantel zu Capri-Leggings und bei Michael Kors glitzerten goldene Pailletten auf Tops und Abendkleidern. Bei Veronica Beard setzten schwere goldfarbene Gliederketten Akzente zu maskulinen Hemden und Jacken. Bei Tom glitzerte nicht nur Gold, sondern jede Farbe: Lila, grün, blau oder Pfirsich. Als letzten Look schickte er ein Model in einer Art goldenem Brautkleid über den Laufsteg – mit einem Strauß goldener Rosen in der Hand.

 

Gabriela Hearst
Gabriela Hearst
Proenza Schouler
Tory Burch
Michael Kors
Tom Ford

Die aufregendsten VIPs

Von denen gab es viele. Kim Kardashian kam zu Fendi und Sarah Jessica Parker ebenfalls. Madonna saß wie alle Gäste auf einem wackeligen Hocker bei der Show von Marni und einige Tage später mit Tochter Lourdes bei Tom Ford. Bei Tommy Hilfiger setzte sich Travis Barker ans Schlagzeug, während Ehefrau Kourtney Kardashian und Model Kate Moss nur wenige Meter entfernt in der ersten Reihe zusahen. Lil’Nax X erschien als Überraschungsmodel auf dem Laufsteg von Coach (der Rapper ist neuer Markenbotschafter des Labels) und Serena Williams und Anne Hathaway posierten bei Michael Kors gemeinsam mit Anna Wintour für die Fotografen. Brooklyn Beckham plauderte mit Ehefrau Nicola Peltz und Lila Grace Moss bei Tom Ford.

Rocco Ritchie, Madonna and Lourdes Leon at the Tom Ford Spring 2023 Ready-to Wear show

Kourtney Kardashian & Travis Barker. Photo by German Larkin

 Das wichtigste Experiment

Was tun Magazine, die sich in Zeiten von Social Media, schwindenden Lesern und sinkenden Werbeeinnahmen behaupten müssen? Sie positionieren sich selbst als Marke – und im Fall der amerikanischen “Vogue” bedeutet das, dass man auch eine eigene Modenschau veranstaltet. Wobei “Modenschau” wohl nicht der richtige Ausdruck ist für die Parade aus Superstars, Supermodels, Tänzern und BMX-Radfahrern, die am vergangenen Montagabend durch eine Straße im Meatpacking District zog. Das Event namens “Vogue World” präsentierte sich als ein Mix aus Straßenfest und Modeparty, zu der sich Leser und Fans mit Tickets Zugang verschaffen konnten – manche “All Access”-Tickets kosteten bis zu 3000 US-Dollar. Es dürfte sich gelohnt haben: Kaum Event war auf Social Media am nächsten Tag mehr zu sehen. Sogar Anna Wintour wippte mit dem Kopf zum Beat der Musik.

Die coolsten Anzüge

Kommen von Peter Do. Weit und luftig geschnitten, mit breitschultrigen und eng taillierten Jacken, die nur mit einem Knopf zusammengehalten werden. Das Label hat eine ganz eigene Art entwickelt, die steifen Klassiker der traditionellen Schneiderei aufzulockern, mit Röcken, Bändern und versetzten Knopfleisten an den Hosen.

Die größte Herausforderung

 … war das Wetter. Zumindest für Tommy Hilfiger, der ein großes Mode-Spektakel auf dem Gelände eines Autokinos in Brooklyn unter freiem Himmel geplant hatte. Der Regen, der schon am Vormittag eingesetzt hatte, wollte sich jedoch bis zum Abend nicht verziehen. Als einzige Lösung blieben Plastikcapes und Regenschirme für die Gäste, die sich trotz allem geduldig die “Tommy Factory” ansahen, eine Hommage an die Factory von Andy Warhol. Immerhin die Models waren warm angezogen: Die Kollektion, mit der auch ein neues TH-Monogramm vorgestellt wurde, ist für den aktuellen Herbst und schon ab sofort im Handel.

 Die schönste Aussicht

New York Fashion Week hat einen großen Vorteil: New York selbst, eine Stadt mit einer dramatischen wie ikonischen Kulisse. Besonders gut zur Geltung kam sie bei Cos und Peter Do. Das schwedische Label, das zur H&M-Gruppe gehört, veranstaltete eine Modenschau auf dem Dach des Starrett–Lehigh-Gebäudes am Hudson River. Die Marke Peter Do lud zur Show in einem Wolkenkratzer im Financial District, von dessen Fenstern aus man die Freiheitsstatue sehen konnte.

 

Text
Silvia Ihring