Gute Zeiten!

Die besten Neuheiten der „Watches and Wonders“

Heute kommt (fast) alles auf einmal: Zenith und IWC und Piaget und Heuer … Mit der Genfer „Watches and Wonders“ hat die Uhrenbranche wieder eine echte Leitmesse. Gegenüber dem vergangenen Jahr ist sie noch einmal gewachsen und das Event, vor dem sich Sammler in Spekulationen über neue Referenzen ergehen und auf dem deutlich wird, was die Themen des Uhrenjahres sein werden, technisch wie gestalterisch: kräftige Farben, Fliegeruhren, retrograde Anzeigen… Hier zehn herausragende Stücke.

Around the Clock

Bei Patek Philippe entwickeln sich die „Travel Time“-Modelle zu meinem eigenen Segment; die „Calatrava 24 Stunden Travel Time“ Referenz 5224R-001, zeigt die zwei Zeitzonen dabei im seltenen 24-Stunden-Format. Vorbild dafür wie auch für Gestaltungsdetails war eine Taschenuhr von 1905, die sich heute im Museum der Manufaktur befindet. Das Roségoldgehäuse sorgt mit einem vergleichsweise üppigen Durchmesser von 42 Millimetern für gute Ablesbarkeit des klar strukturierten Blatts und ist mit knapp 10 Millimetern Bauhöhe angenehm flach.

Erbstück

 Natürlich hat Rolex auch immer schon elegante Uhren produzieren können. Die „Cellini“-Modelle aber waren optisch oftmals so weit von dem entfernt, was man sich unter einer Rolex vorstellt, dass sie es kaum ins Bewusstsein der Käufer oder gar in nennenswerter zahl an deren Handgelenke schafften. Jetzt gibt einen Nachfolger, die „Perpetual 1908“, die einem Vorbild nicht der vorgegangenen Jahrhundertwende, sondern von 1931 folgt. Das schlanke Goldgehäuse trägt einen Glassichtboden, der den Blick auf das sorgsam finssierte Werk erlaubt. 39 Millimeter Durchmesser, am Lederband mit Doppelfaltschließe.

Jubilar

Zu den Modellen mit rundem Geburtstag gehört in diesem Jahr die „Carrera“ von TAG Heuer. Das wird mit einer ganzen Reihe neuer Modelle gefeiert. Für Sammler ist womöglich der „“Carrera Chronograph Glass Box“ am interessantesten. Dessen Glas wölbt sich hoch über das Zifferblatt wie bei Modellen der 1960er-Jahre, ist aber viel stabiler, weil sich diese Form mittlerweile in Saphirglas fertigen lässt. Automatik, Edelstahl, 39 Millimeter Durchmesser.

Concept-Watch

Roger Dubuis ist immer für technische Innovationen gut, für die erst einmal ein Name gefunden werden muss. In der unverkäuflichen „Monovortex Split Second Choreograph“ versammelt die Manufaktur die Erfindungen, die auf die Devise des „Hype Watchmaking“ einzahlen und zukünftig in der Serienfertigung eingesetzt werden sollen. In dem brandroten Brocken mit 47 Millimetern Durchmesser kommen unter anderem MCF, ein besonders leichtes, aber stabiles Gehäusematerial, und ein völlig neues automatisches Aufzugssystem, mit dem die Ingenieure die Gravitation nutzen, ihren negativen Einfluss auf die Ganggenauigkeit des Werks hingegen ausschließen wollen.

Astronom

In diesem Jahr spielen retrograde Zeitanzeigen wieder eine große Rolle, also solche bei denen die Zeiger nicht rotieren, sondern nach dem Durchschreiten eines Kreisabschnitts blitzartig an dessen Anfang zurückkehren. Vacheron Constantin hat diese Finesse schon lange im Programm und setzt sie jetzt gleich in einigen Modellen ein. Bei der „Les Cabinotiers Dual Moon Grand Complication“ fügt sich die retrograde Datumsanzeige zwar bestens in die Geometrie des Zifferblatts ein, ist aber nicht die technische Hauptsache. Gleich elf Komplikationen stecken in ihrem Weißgoldgehäuse, unter anderem ein Ewiger Kalender, eine Minutenrepetition, ein Tourbillon. Eine besonders präzise Anzeige der Mondphasen auf der Nord- und der Südhalbkugel findet sich auf der Vorderseite, auf der Rückseite der Uhr ist eine Himmelskarte zu beobachten.

Iteration

Ist eine Sportuhren-Linie erfolgreich eingeführt, wird sie bald weiterentwickelt und mit Zusatzfunktionen versehen, typischerweise einem Chronographen. Das bedeutet zusätzliche Anzeigen auf dem Blatt und Drücker am Gehäuse – nicht allen gut gestalteten Uhren tut das gut. A. Lange & Söhne aber weiß genau, wie’s geht, und zeigt in Genf die „Odysseus Chronograph“, den ersten automatischen Choreographen des Hauses. Um das Gesicht der „Odysseus“ zu erhalten, verzichtet man auf Hilfszifferblätter; zwei Zeiger zählen Sekunden und Minuten aus der Mitte. Die Drücker haben eine Doppelfunktion bekommen. Sie starten und stoppen die Kurzzeitmessung oder verstellen, bei gezogener Krone, Datum und Wochentag. Im Edelstahlgehäuse, 42,5 Millimeter Durchmesser, limitiert auf 100 Exemplare.

Dresswatch

Frederique Constant ist zum ersten Mal Aussteller auf der erheblich gewachsenen „Watches & Wonders“. Mit dem „Classic Tourbillon Manufacture“ bleibt das Unternehmen dem ursprünglichen Thema der Messe treu, eine Leistungsschau der klassischen Haute Horlogerie zu sein. Optisch treten das 39 Millimeter schlanke Roségoldgehäuse und das dunkelgraue Zifferblatt dezent hinter das große Tourbillon zurück. Das Manufakturware ist mit seinen Silizium-Komponenten dabei kein Blick zurück, sondern ein Beispiel moderner Mikromechanik. Automatik, limitiert auf 150 Exemplare.

Comeback

Uhrenkenner wissen, dass der Designer Gerald Genta nicht nur für Patek Philippe und Audemars Piguet Sportuhren gestaltet hat, sondern auch für Vacheron Constantin – und für IWC. Die für die Schaffhauser designte „Ingenieur Jumbo SL“ war seiner zeit nur schwer zu verkaufen – zu groß, zu schwer, zu sehr … ihrer Zeit voraus. Aber spätestens seit dem Kult um die „Nautilus“ und die „Royal Oak“ warteten Fans auf eine Neuauflage der Genta-„Ingenieur“. Jetzt ist sie da; optisch sorgfältig überarbeitet und technisch auf dem neuesten Stand. Puristen erschrecken bitte nicht über das Bild; es gibt die „Ingenieur Automatic 40“ auch mit klassisch schwarzem und mit silbernem Blatt. Und damit, dass die Schrauben auf der Lünette nun nicht mehr irgendwo sitzen, sondern symmetrisch angeordnet sind, damit werden sie leben lernen. Automatik, Edelstahlgehäuse mit 40 Millimetern Durchmesser.

Jet-Set

Die „Pilot“-Uhren von Zenith gibt es seit Jahrzehnten. Dabei sah die bislang jüngste Kollektion am ältesten aus, kokettierte mit übergroßer Zwiebelkrone, Blättern wie aus genietetem Blech und einer Typografie wie aus der Zeit der Gebrüder Wright. Gestalterisch ist sie also ein Fremdkörper im Angebot der Manufaktur, die doch eher auf Modernes setzt. Jetzt hat Zenith bei der „Pilot“ die Doppeldecker-Nostalgie beseitigt und eine markante, zeitgemäße Fliegeruhr daraus gemacht. Entstanden sind eine Dreizeiger-Variante (40mm) und ein Flyback-Chronograph (42,5mm) mit Großdatum; beide Modelle sind mit automatischen Hochfrequenz-Werken ausgestattet und werden mit Edelstahl- oder einem dunklen Keramikgehäuse angeboten.

Sixties

Diese Manschettenuhr von Piaget könnte aus den 1960ern stammen, in denen das Haus auch das typische „Palace-Dekor“ entwickelte, mit der das Armband handgraviert wird. Den gegenwärtigen Trend zur türkisfarbenen Uhr nimmt das Modell sehr souverän auf. Das Zifferblatt wird aus echtem Türkis geschnitten.

Heure Caché

Die Zeitanzeige einer Armbanduhr kunstvoll zu verbergen, hat eine reiche Tradition. Schließlich hielten einem ihre Vorläufer, die Taschenuhren auch nicht ständig vor Augen, wie die Zeit verrann, sondern nur, wenn man sie hervorzog. Heute gilt es kaum irgendwo als unschicklich, auf die Uhr zu sehen. Aber die Mechanismen der „secret watches“ bereiten natürlich auch eine Menge haptischen wie optischen Spielspaß. Van Cleef & Arpels hat ein Modell der 1930er-Jahre zum Vorbild für die „Secret Watch Ludo Mini“ genommen. Ein leichtes Anheben der mit Steinen aufgefassten „Macarons“ lässt die goldenen Blenden vor dem Zifferblatt aufspringen.

Aufsteiger

Die „Propilot Altimeter“ von Oris ist eine Toolwatch, erkennbar schon am üppigen Gehäusedurchmeser von 47 Millimetern. Aber sie ist auch das, was man einen Technologieträger nennt: zum einen längst nicht so schwer, wie sie aussieht weil das Gehäuse aus gedrucktem (!) Carbon besteht. Zum anderen ist sie die erste automatisch angetriebene Uhr mit mechanischem Höhenmesser. Dessen Skala reicht, je nach gewählter Modellvariante, bis 6000 Meter oder 19.700 Fuß.

Text
Jan Lehmhaus