Madior Fall – ein Name wie ein Versprechen. Alles, nur kein Mainstream. Der gebürtige Römer ist Model, Schauspieler und studiert, lass mal was sein, Ingenieurwesen. Er ist verdammt cool und ziemlich nachdenklich. Wir baten ihn zum Shooting an einem ebenso spannenden Ort in Mailand.

Auf seinem Instagram Profil nennt er sich „coolest monkey in the jungle“. Madior Fall darf das. Weil es nicht ganz falsch ist, weil er schwarz ist und lustig und einen guten Sinn für Zwischentöne hat. In Paris geboren, in Rom aufgewachsen, Ältester von vier Brüdern. Die Mutter ist Römerin, der Vater war als kleiner Junge im Senegal von einer römischen Familie adoptiert worden. Als Model und Testimonial für die großen internationalen Marken gefragt, machte Madior im vergangenen Jahr mit einer der Hauptrollen in der erfolgreichen Netflix-Serie „Zero“ den nächsten Karriereschritt. Er ist Inno aus der Clique um den schüchternen Omar, den schwarzen Anti-Helden mit einer Superkraft: Er kann sich unsichtbar machen. Das hilft, wie die Clique, wenn man das Viertel in der Mailänder Vorstadt Barrio, die zur Heimat wurde, retten will. Und es hilft auch dabei zu verarbeiten, dass man als junger Schwarzer vielfach ignoriert wird. Die Serie ist eine Parabel, aber vor allem gut erzählt und authentisch gespielt. Madior kann man schlecht übersehen. Er sieht blendend aus, ist groß, von charismatischer Präsenz.
Etwas außerhalb vom Mailänder Zentrum, im Stadtteil Gallaratese, liegt die Via Enrico Falck mit dem Condominio Monte Amiata. Der „Rote Dinosaurier“, so genannt wegen der Farbe der Gebäude, seiner Größe, seines Designs. Ende der 1960er-Jahre von den Architekten Aldo Rossi und Carlo Aymonio als Stadt-Utopie entworfen. Auf gut 120.000 Quadratmetern erstrecken sich fünf unterschiedliche Gebäude, Durchgänge, Terrassen, Brücken, Aufzüge, kleine Plätze und ein Open-Air-Theater, dessen Stufen auf eine nächste Wohnebene führen. Ein etwas abgewetzter, gleichwohl faszinierender Ort, das komplexe Wesen einer Stadt in Stein. Eine Weile von Obdachlosen beherrscht, inzwischen Heimat ganz unterschiedlicher Leute aus der Mittelschicht. Es ist heiß an diesem Tag, der Beton kühlt nicht. Madior ist Vollprofi, schwitzt nicht mal im warmen Wollanzug von Gucci. Sein Markenzeichen sind die hochgezwirbelten Zöpfe, immer öfter lässt er sie jetzt auch fallen, es macht ihn erwachsener, verändert auch den Typ. Nicht den Mann. In einem der langen, kühlen Gänge verplaudern wir uns, bis der Fotograf Sven Bänziger mahnt, dass wir den besonderen Lichtmoment nicht verpassen dürfen.
Wie haben Sie die Rolle für die Serie „Zero“ bekommen?
Ein Freund schlug mir vor, ich solle doch an einem Casting teilnehmen, bei dem schwarze italienische Schauspieler gesucht wurden. Ich modelte damals nur, war kein Schauspieler, aber ich dachte mir, weil ich es schon immer wollte, versuche ich es einfach. Ich habe ein paar Grundregeln gelernt, bin zum Casting gegangen, und es hat geklappt.
War der Wettbewerb groß?
Es waren dreitausend. Mehr oder weniger alle schwarzen Männer in meiner Altersgruppe, die ich kenne, haben es versucht.
Sie spielen mit Inno einen ziemlich coolen Typen.
Meine Rolle ist wirklich interessant. Und ich habe nun eine Vorstellung davon, wie die Filmindustrie und die Schauspielerei funktioniert – nun ist es meine Leidenschaft.
Die Serie war sehr erfolgreich, auch in Deutschland. Hat Sie das erstaunt?
Ja. Aber es war eben gerade in Italien etwas ganz Neues. Bisher gab es noch nie eine Serie, die so divers war. Wir zeigen eine Realität, die es in Italien gibt und die aber bis jetzt niemand zeigen wollte. Es ist ein noch schwieriges Thema. Es gibt aber eine neue Generation von Menschen mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft von überallher. Das zeigen wir in der Serie, und ich glaube, dass sie deswegen so ein Erfolg war.




Reagieren Leute immer noch verblüfft, wenn Sie anfangen Italienisch zu sprechen?
Ja, so oft höre ich: „Ah, das waren also Sie am Telefon?“, oder: „Sie sprechen so gut Italienisch!“ Wobei eher die Menschen, die vor den 1990er-Jahren geboren wurden, weniger offen sind. Meine drei jüngeren Brüder, die in den Nullerjahren geboren sind, sind es von Anfang an gewohnt, mit vielen unterschiedlichen Menschen aus der ganzen Welt zu tun zu haben. Sie sind mit dem Smartphone aufgewachsen, sind in den sozialen Medien unterwegs – sie haben eine ganz andere Wahrnehmung. Wobei wir in Italien keinen echten Rassismus haben, eher ein Problem mit Ignoranz.
Wobei die Flüchtlingswellen gegenwärtig sind.
Es ist Unwissenheit, die zu der Verwunderung, von der Sie sprechen, führt. Wenn man etwas nicht kennt, sondern nur eine Vorstellung hat, denkt man, dass es so sein muss. Doch wenn man ins Gespräch kommt, merken die Leute, dass die Vorurteile, die sie über Schwarze hatten, sich nicht bestätigen. Viele haben leider eine falsche Vorstellung von uns, unterstützt auch von den Medien, die uns leider nicht unter einem guten Licht sehen. In „Zero“ werden wir zum ersten Mal als junge, schwarze Männer gezeigt, so, wie wir wirklich sind, also wie jeder andere Jugendliche.
Nur weil die Hautfarbe sehr dunkel ist, bedeutet das ja nicht, dass man nicht durch und durch Italiener sein kann?
Mein Vater ist so dunkel, wie man nur sein kann, und kam nach Italien, als er zwei war, er hat keine Erinnerung an den Senegal, er ist so was von Italiener. Eine italienische Familie hat ihn adoptiert, und er ist hier in den Sechzigern aufgewachsen. Damals gab es keinen Rassismus, die Leute hatten oftmals noch nie einen so dunklen Menschen gesehen und dachten, er wäre ein Prinz oder so. Heute passiert es, dass er ein Gebäude betritt und die Leute sagen: „Wir haben keine Pizza bestellt.“ Jetzt gibt es Vorurteile leider die falschen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit ändern wird. Die jungen Generationen sind sehr viel weiter.




Wo wurden Sie geboren?
In Paris, weil mein Vater dort gearbeitet hat, er ist Manager im Modebusiness, aber wir kamen nach Italien, als ich vier war, da meine Familie aus Rom ist. Seitdem lebe ich hier.
Omar, ein schüchterner Jugendlicher und die Hauptfigur bei „Zero“, sagt, er möchte lieber unsichtbar sein, denn als jemand gesehen zu werden, der er nicht ist. Das hat mich sehr berührt.
„Zero“ ist eine Metapher für die Unsichtbarkeit, es beschreibt, wie die Schwarzen unsichtbar sind für die italienische Gesellschaft. Sie sind in den Medien gar nicht präsent, aber wir sind auch ein Teil der Realität und werden entweder nicht gesehen oder falsch dargestellt.
Wie möchten Sie gesehen werden?
Einfach als ich selbst, ich möchte keine Figur aufbauen und möchte meine Füße auf dem Boden behalten, wie meine Eltern es mir beigebracht haben. Ich möchte „echt“ bleiben – vielleicht mit Veränderungen –, auch wenn meine Karriere sich weiterentwickelt. Und ich möchte Menschen inspirieren. Junge Leute, egal ob schwarz oder weiß, sollten an sich selbst glauben.


Sie sind sehr attraktiv, das hilft bestimmt in der Akzeptanz?
Danke, aber das ist natürlich subjektiv, und ich denke, wenn man gut aussieht, aber keine gute Persönlichkeit hat, reicht das nicht aus.
Kamen Sie schon an Grenzen?
Meine Eltern gaben mir alle Instrumente, um selbstständig und selbstdiszipliniert zu sein. Ich hatte eine schöne Kindheit, was unbezahlbar ist. Aber auch dem Sport verdanke ich viel, ich habe lange Basketball gespielt und so Teamarbeit, Disziplin und Selbstkontrolle gelernt. Ich habe jetzt diese Kraft, kann die nächsten Schritte sehen, und hoffentlich geht es weiter so gut.
Wohin führen die Schritte?
Ich habe gleich nach der Schule mit dem Modeln begonnen, die Schauspielerei kam nun dazu. Aber ich studiere parallel auch Ingenieurwesen. Mal sehen.


Ein Mini-Videointerview