Louis Vuitton lud in Seoul zu einer kinoreifen Show. Am Morgen danach fotografierten wir die koreanische Star-Schauspielerin Han Hyo-joo im Atelier Harmony in Seoul. Hinter dem großen Namen verbergen sich ein kleiner Coffeeshop und kleine traditionelle Räumlichkeiten. Hyo-joo aber hinterließ großen Eindruck.
Frau mit Gesichtern


Minikleid mit XXL-Reißverschluss und Bubble-Damir-Motiv, alle Looks sind von Louis Vuitton

Die Nacht war sehr kurz, die Party am Abend zuvor zu gut, um früh zu gehen. Die „calltime“, wie es bei Shootings heißt, wieder um war gefühlt vorm Aufstehen. Nichts davon war Han Hyo-joo anzusehen oder anzumerken. Seit 20 Jahren ist die Schauspielerin und Sängerin eine Größe im Entertainment und war Ehrengast bei der spektakulären Prefall-Show von Louis Vuitton, dessen eh schon mystische Inszenierung unerwartet Unterstützung von einem eisigen Wind bekam. Wie viele ihrer Kolleginnen trotzte auch Hyo-joo lächelnd den meteorologischen Widrigkeiten im Mini-Look des Gastgebers. Am Morgen danach zeigt sich Seoul wieder frühsommerlich friedlich.
Die Räumlichkeiten im „Atelier Harmony“, einem kleinen Coffeeshop mit traditionellen Räumlichkeiten im Hinterhof sind überschaubar groß, Ankleide und Make-up finden daher in einem leeren Geschäft ein paar Meter weiter statt. Denn Platz braucht es, wenn ein Star wie Hyo-joo kommt. Das Team ist groß, sie selbst gleichwohl bescheiden und zauberhaft. Ihr zufriedenes Wesen sei auf ihre Blutgruppe A zurückzuführen, wurde sie einmal zitiert. In jedem Fall ist sie handfest und verwandlungsfähig. Im Shooting, in ihren Rollen sowieso, das ganze Programm zwischen Action, Thriller und Romanze, Indie und Blockbuster, Kino und TV. Aktuell ist sie in der Superhelden-Serie „Moving“ auf Disney+ zu sehen, mit ihrem guten Freund Ju Jihoon, der auch in Deutschland durch die Netflix-Serie „Kingdom“ bekannt ist, hat sie fürs nächste Frühjahr „Dominant Species“ gedreht, ein Thriller um mysteriöse Vorgänge in einem Unternehmen, das künstliches Fleisch herstellt. Sie spielt die Chefin. Nach den Aufnahmen setzten wir uns an den Tisch, auf dem sie zuvor sehr beweglich und wie instinktiv den Ansagen von Fotografin Kim Sin-ae gefolgt ist. Wir sprechen Englisch ohne Dolmetscher. Ihre Sprachfertigkeit ist immer noch ungewöhnlich für koreanische Stars. Ein Auszug:

ICON: In Korea kam die Emanzipation erst später an, Ihre Generation fühlt sich als erste wirklich frei, oder?
HYO-JOO: Mein Vater ist Chirurg und meine Mutter Lehrerin. Sie waren nicht begeistert, als ich mich für diesen Beruf entschied, haben mich aber unterstützt. Ich solle machen, was ich möchte; die Bedingung war allerdings, dass ich auf der Highschool fleißig bin. Das war ich, machte dann meinen Master in Theater an der Dongguk-Universität in Seoul und konnte direkt durchstarten. Ich hatte Glück, denn ich bekam direkt Hauptrollen.
Es heißt, man ist seines eigenen Glückes Schmied. Ist Erfolg wie Ihrer nicht einfach ein Verdienst?
Wir Frauen sind immer bescheiden – ich denke hierzulande noch mehr. Aber es liegt auch an einem selbst, etwas aus den Möglichkeiten zu machen. Wobei Glück nicht ganz unwichtig ist.
Würden Sie sich als eine glückliche Person bezeichnen?
Nun, die möchte ich gerne sein! Manchmal werde ich schnell traurig. Ich denke, ich bin eher dankbar.

Würden Sie sich als eine glückliche Person bezeichnen?
Nun, die möchte ich gerne sein! Manchmal werde ich schnell traurig. Ich denke, ich bin eher dankbar.
Sie wechseln oft Gesicht und Genre in Ihren Rollen, riskieren offenbar lieber mehr als einen Erfolg mit gleichem Muster zu wiederholen. Ist das Mut, Strategie, Herausforderung?
Herausforderung. Ich mag das. Und mag es nicht, immer das Gleiche zu spielen, deswegen suche ich mir immer unterschiedliche Figuren aus.
Der kanadische Filmstar Ryan Gosling sagte vor Kurzem exakt das Gleiche. Und sieht darin auch einen Grund für seine erfolgreiche, anhaltende Karriere. Wie ist das bei Ihnen?
Ich glaube nicht, dass alles immer ein Erfolg sein wird. Aber ich bereue nichts, denn ich entscheide immer allein und ich habe natürlich immer mein Bestes gegeben. Und selbst wenn das Projekt, in dem ich mitgewirkt habe, kein Erfolg wurde, bin ich trotzdem zufrieden.
Schauspieler haben gemeinhin eine „Tool-Box“ und je mehr unterschiedliche Rollen sie spielen, desto mehr Werkzeug, also Fähigkeiten finden sich darin. Geht Ihnen das auch so?
Sicher, ja. Selbst wenn ein Projekt nicht stattgefunden hat, und ich sehr darunter gelitten habe, habe ich gelernt, geduldiger zu sein, und bin daran gewachsen. Im Grunde gibt es bei jedem Projekt eine Widrigkeit, insofern lernt man immer dazu …
Wenn man ein Liebespaar spielen muss und sich aber nicht riechen kann?
Das muss man überwinden.
Auf dem Flug hierher habe ich auf Netflix Ihren Piraten-Film „Schatz des Königs“ gesehen …
Ach, wirklich?!


Hat es Sie gereizt, eine weibliche Piratenanführerin zu sein?
Richtig. Ich musste lernen, wie man mit einem Schwert umgeht, ich habe dafür dreimal die Woche für drei Monate trainiert. Ich musste ja als Captain führen. Ich spürte den Druck und gleichzeitig hat es Spaß gemacht. Ich war die einzige Frau unter vielen männlichen Kollegen. Ihre Bewunderung schließlich hat mich sehr glücklich gemacht.
In der Geschichte gibt es ja auch eine Prinzessin. Als Sie das Script bekamen, haben Sie sich bewusst für die Rolle des Captains entschieden? Oder haben Sie gezögert, doch lieber die Prinzessin zu sein?
Ganz und gar nicht!
In dem Fantasy-Thriller „Happiness“ spielen Sie eine Polizistin, deren Glück, endlich eine schöne Wohnung gefunden zu haben, sich schnell in Horror verwandelt, weil sich eine neue Infektionskrankheit ausbreitet. Das Haus und die Bewohner werden komplett von der Außenwelt abgeschnitten, müssen ihr gegenseitiges Misstrauen verhandeln, Diskriminierung ertragen. In Korea sind die hierarchischen Regeln generell noch immer streng, man fügt sich. Mussten Sie je darunter leiden?
Nein. Und wenn ich mal das Gefühl hatte, war das hausgemacht.
In „Moving“ auf Disney+ spielen Sie eine Mutter mit Superkräften, die zur Gefahr werden. Woher beziehen Sie persönlich Stärke?
Aus meinen Erfahrungen. Und meine Familie und meine Freunde geben mir Halt.
Ist so ein Modeshooting wie heute auch eine Rolle?
Nicht wirklich. Privat bin ich eher casual unterwegs, aber wenn ich mal so ein Shooting mache, habe ich Spaß dabei, ja.
Gibt es jemanden, den Sie gern mal spielen würden? Präsidentin von Korea vielleicht?
Klar! Wir hatten mal eine Frau, aber sie hat das Amt vorzeitig aufgegeben.
Seoul bewegt
Wenn es Vuitton wird in Seoul

Kraftvoll, modern, lässig: die Prefall-Kollektion von Nicolas Ghesquière hielt der faszinierenden Kulisse stand
Es ist nicht ganz geklärt, in welcher Beziehung Louis Vuitton zum Wettergott steht. Völlig klar aber ist, dass einerseits ungeahnte Kräfte im Spiel waren bei der Prefall-Show in Seoul, aber vor allem visionäre. Doch der Reihe nach. Was CEO Pietro Beccari zunächst für Dior geplant hatte, nämlich ein weiteres internationales Event neben den Cruise-Schauen zu etablieren, sollte natürlich nach seiner Berufung im Februar zum CEO des größten global Luxusplayers Louis Vuitton erst recht gelten. Gedacht, gemacht, kreiert, getan, keine drei Monate später. Der erste Event gleich ganz großes Kino. Nie zuvor war die Hauptverkehrsader Jamsugyo-Brücke jemals gesperrt worden für ein Unternehmen. Das dankt mit langfristigem kulturellem Engagement. Seoul als Destination war schnell definiert, die Beziehungen sind eng, bereits 1991 wurde der erste Store in Seoul eröffnet, jetzt sind es 18 und 35 im ganzen Land. Designer Nicolas Ghesquière hatte das koreanische Model Jung Ho-yeon längst entdeckt, bevor sie als Hauptdarstellerin in „Squidgame“ Weltkarriere machte. Sie eröffnete auch diese Show, der „Squidgame“-Drehbuchautor Hwang Dong-huyk war zudem als kreativer Berater dabei. Und als hätte die Kollektion nicht schon Dynamik genug, wäre die Inszenierung auf der in Blau getauchten riesigen Brücke vor abendlichen Stadtpanorama nicht schon aufregend genug, war ein ungeahnter, eiskalter Sturm aufgekommen, der das Szenario noch unwirklicher machte. Es war fantastisch.




















Kraftvoll, modern, lässig: die Prefall-Kollektion von Nicolas Ghesquière hielt der faszinierenden Kulisse stand. Wie ein riesiger, mystischer Springbrunnen: Zum Schlussdefilee wurden die Fontänen der Jamsugyo-Brücke aufgedreht.





Da war endgültig allen Gästen wieder warm: Die Girlgroup „Le Sserafim“ performte bei der Aftershow-Party
UNSERE FOTOGRAFIN

Kim Sin-ae spricht wenig, ihre Bilder dafür umso mehr. Mit ihr zusammen zu arbeiten ist beruhigend und inspirierend zugleich. Die Sprachbarriere Koreanisch hält die Interaktion nicht auf. Auch mit ihren Landsleuten spricht sie wenig während eines Shootings. Sie agiert leise, macht kein Gewese, dafür sehr viel aus wenig. Das können zwei Fotoleinwände, ein paar Neonröhren und ein Eimer Wasser sein, wie bei den aufregenden Aufnahmen mit Song Kang für Mr ICON oder ein Tisch, ein Stuhl, ein paar Ballons und eine Wäscheleine wie bei der magischen Modestrecke mit Han Yeri für unsere Korea-Ausgabe im vergangenen Jahr. Umso froher waren wir, dass die Vielgefragte (siehe auch ihren Instagram-Account keemsinae) Zeit hatte, die Schauspielerin Han Hyo-joo für uns in Seoul zu inszenieren. Die Räumlichkeiten im Café „Melody“ entpuppten sich als kleiner und spartanischer als erwartet, Sin-ae hob einmal die Augenbraue, lächelte und legte los. Mit Hyo-joo verstand sie sich geradezu telepathisch. Und dass sie kurz verriet, dass sie an diesem sehr frühen Morgen noch einen kleinen Hangover von der großen Louis-Vuitton-Sause am Abend zuvor hatte, das war geradezu offenherzig. Denn angemerkt hat man es ihr natürlich nicht.