Shootingstar

Zwei Büstenhalter übereinander

Die Londoner Modewoche hat einen neuen Star: Nensi Dojaka. Die aus Albanien stammende Designerin hat gerade den wichtigsten Preis des Luxuskonzerns LVMH gewonnen und in London ihre erste Modenschau vorgeführt. Der Look: knappe, leichte, von ultrafeinen Trägern zusammengehaltene Kleidchen, die von Frauen wie Dua Lipa und Bella Hadid geliebt werden und die im Zeichen eines neuen Trends zu Mode, die viel Haut zeigt, aber dem Selbstbewusstsein der Frauen mehr dient als dem Auge der Männer.

ICON: Plötzlich ist es wieder total schick, Bein und Ausschnitt zu zeigen, auf den Laufstegen sieht man so viel Transparenz und körperbetonte Kleidung. Was ist da los?

Nensi Dojaka: Da spielt sicher der Ende der Lockdowns eine Rolle und die Tatsache, dass die Menschen wieder ausgehen und feiern können. Ich jedenfalls habe gemerkt, dass die Verkaufszahlen für meine knappen Kleider seit dem vergangenen Frühling, als sich langsam wieder alles öffnete, in die Höhe geschossen sind.

Hat das Wort sexy heute eine andere Bedeutung?

Definitiv, und ich denke das hat mit der Body Positivity-Bewegung zu tun. Frauen fühlen sich wohler in ihrer Haut, gehen selbstbewusster mit ihren Körpern um und wollen sie dementsprechend zeigen und feiern. Da spricht eine neue Stärke heraus, und die macht Frauen mutiger in ihrer Kleiderwahl.

Würden Sie Ihre Entwürfe eigentlich als sexy beschreiben?

Auf jeden Fall, das sind sie ja nun mal. Aber ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen sexy und sexualisiert, und das ist mir sehr wichtig. Meine Kleider zeigen viel nackte Haut, aber sie tun es ohne den weiblichen Körper zum Sex-Objekt zu degradieren.

Wie genau funktioniert das?

Ich achte sehr darauf, welche Körperstellen ich offenbare, wie zum Beispiel den Rücken oder die Schultern, was sinnlich wirkt aber nicht unbedingt sexuell. Auch die Wahl des Materials spielt eine wichtige Rolle, die Platzierung der Cut-Outs, oder ob ich einen BH mit einem weiten Blazer kombiniere. Zudem sind meine Teile sehr komplex in der Konstruktion.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich habe in der Mitte eines Minikleides ein Cut-Out mit einer Blume gefüllt, die aus Tüll- und Organza-Schnipseln genäht wurde. Ein anderes Kleid sah aus, als wäre die Brust von zwei Büstenhaltern bedeckt. Man muss eben die Balance finden, sodass aus sexy nicht vulgär wird.

Sie haben ursprünglich Lingerie-Design studiert. Was gefällt Ihnen so sehr an Unterwäsche?

Am Anfang hatte es vor allem damit zu tun, dass sich so gerne an Details arbeite. Aber je mehr ich mich in das Thema hineingefuchst habe, desto mehr habe ich gemerkt, wie technisch anspruchsvoll Lingerie ist, weil der weibliche Körper eben sehr komplex ist. Und das finde ich einfach toll.

Nensi Dojaka. Foto: Saskia Lawaks/LVMH
Interview
Silvia Ihring