Am Flughafen von Neapel herrscht geschäftiges Treiben, die Schlange am Schalter für verlorenes Gepäck ist lang wie eh und je, die Sommersaison hat tatsächlich begonnen. Nur die vielen Fahrer, die Schilder der Luxushotels auf Capri hochhalten, stehen jetzt draußen in der Hitze, die in diesem Jahr offenbar den August gar nicht erst abwarten will. Am Tag zuvor ist in Italien die Maskenpflicht für draußen aufgehoben worden, aber Gewohnheit und Vorsicht überwiegen noch.
Ein Van bringt uns zum Hafen, dort wartet ein Motorboot, 45 Minuten Meer-Vergnügen bis nach Ischia. Eigentlich müsste ich jetzt ein Seidentuch um Kopf und Hals schlingen, das wäre schon passend. Spätestens beim Ausstieg. Denn wir legen am Hotel „Mezzatore“ an, eine ochsenblutrote Anlage da oben auf dem Berg, zu dem sich eine lange Treppe und gehauene Wege im Felsen ziehen, vorbei an Pool, Terrassen und den zauberhaften Sonnenschirmen, die für die Bella-Italia-Reiseträume stehen, die gleichermaßen die deutschen Urlauber wie den Jetset seit den 1950er-Jahren anzogen. Auf dem Ritterburg-Balkon des obersten Turmzimmers könnte man sich wie ein Prinzessin fühlen, die darauf wartet, dass da endlich ein Prinz übers Meer kommt.
Obwohl. Gibt es solche Frauen noch? Und will überhaupt irgendjemand hier wieder weg? Ein höflicher junger Mann in strahlender Uniform reicht die Hand zum Ausstieg. Und das ist der Einstieg in eine Welt, die unwirklich und tatsächlich zugleich ist. Denn das „Mezzatorre“ weckt Erinnerungen an jene Zeit, in der eine elegante, vermögende Gesellschaft die Weltkarte des Glamours abreiste.