Max Mara Resort 2022

Am Schwanen-Meer

Am Flughafen von Neapel herrscht geschäftiges Treiben, die Schlange am Schalter für verlorenes Gepäck ist lang wie eh und je, die Sommersaison hat tatsächlich begonnen. Nur die vielen Fahrer, die Schilder der Luxushotels auf Capri hochhalten, stehen jetzt draußen in der Hitze, die in diesem Jahr offenbar den August gar nicht erst abwarten will. Am Tag zuvor ist in Italien die Maskenpflicht für draußen aufgehoben worden, aber Gewohnheit und Vorsicht überwiegen noch.

Ein Van bringt uns zum Hafen, dort wartet ein Motorboot, 45 Minuten Meer-Vergnügen bis nach Ischia. Eigentlich müsste ich jetzt ein Seidentuch um Kopf und Hals schlingen, das wäre schon passend. Spätestens beim Ausstieg. Denn wir legen am Hotel „Mezzatore“ an, eine ochsenblutrote Anlage da oben auf dem Berg, zu dem sich eine lange Treppe und gehauene Wege im Felsen ziehen, vorbei an Pool, Terrassen und den zauberhaften Sonnenschirmen, die für die Bella-Italia-Reiseträume stehen, die gleichermaßen die deutschen Urlauber wie den Jetset seit den 1950er-Jahren anzogen. Auf dem Ritterburg-Balkon des obersten Turmzimmers könnte man sich wie ein Prinzessin fühlen, die darauf wartet, dass da endlich ein Prinz übers Meer kommt.

Obwohl. Gibt es solche Frauen noch? Und will überhaupt irgendjemand hier wieder weg? Ein höflicher junger Mann in strahlender Uniform reicht die Hand zum Ausstieg. Und das ist der Einstieg in eine Welt, die unwirklich und tatsächlich zugleich ist. Denn das „Mezzatorre“ weckt Erinnerungen an jene Zeit, in der eine elegante, vermögende Gesellschaft die Weltkarte des Glamours abreiste.

 

Max Mara hat den Ort ausgesucht, um seine Cruise Collection 2022 zu zeigen. Mit internationalen Gästen. Auf dem Zimmer liegt ein Büchlein, ein Auszug aus Truman Capotes Reisebeschreibungen „Local Colour“, die 1950 veröffentlicht wurden, das Kapitel über Ischia, wo er vier Monate verbrachte, als der Begriff Kurztrip noch nicht erfunden war. Der Schriftsteller war es, der den Frauen wie Marella Agnelli, die das Herz der stylischen und weltgewandten Jetset-Clique bildeten, den Titel „The Swans“ gab, in Bewunderung ihres perfektionierten Glamours.

Eine Inspiration für viele Designer, einen kultivierten Mann wie Ian Griffith allemal. Aber wer sind die „Schwäne“ der heutigen Zeit? Ginevra Elkann, die Enkelin von Marella und Giovanni Agnelli ist auch gekommen – um zu arbeiten. Sie ist Regisseurin, studierte an der Londoner Film-Akademie, debütierte 2019 mit dem Film „Magari“. Sie dreht an diesem Abend einen Film über die Show, das Setting, die Stimmung. Ihre Drohnen erinnern daran, dass dies eben nicht 1960 ist.

Der Film der Fashionshow, unter der Regie von Ginevra Elkann.

Sie ist ein neuzeitlicher Schwan, eine interessante, schöne, sehr eigenständige Frau. Und was ist mit den Influencern, die sich so strahlend in diese Anlage fügen? Ian Griffiths zögert mit der Antwort, nicht nur aus britischer Höflichkeit. Er lässt seine Kollektion sprechen. Ich glaube, es ist die wunderbarste, die ich je von ihm sah. Allein die Alsterschwanweißen Kleider und Mäntel aus Technomaterial, ganz pur, weit, Schneiderlinien, elegant, modern. Griffiths hat der Versuchung widerstanden, die guten alten Zeiten aufleben zu lassen. Selbst die roséfarbene Tunika, ein Look, der so typisch für Marell Agnelli war, ist nur ein Echo, keine Kopie. So einfach waren jene Zeiten ja auch nicht immer, bei allem Wohlstand, die Emanzipation musste erst ihren Lauf nehmen. Diese Kollektion nun wird man auch im Arbeitsleben tragen können. Aber unbedingt auch an den schönen Orten, die vom guten, alten Glamour erzählen. Habe ich erwähnt, dass später glücklich am Pool getanzt wurde?

Text
Inga Griese