Tanz, Theater, jetzt Architektur und Design – Ursula Seeba-Hannan, Geschäftsführerin der LenzWerk Holding in Berlin, ist ein Multitalent mit starkem Willen. Jetzt hat sie in Monte Carlo eine ungewöhnlichen Showroom eröffnet: die „Villa Nuvola“.
Deutsches Haus
ICON: Wie kommt’s, dass eine Berliner Generalunternehmerin wie Sie ausgerechnet in Monaco einen Showroom nur mit Produkten renommierter deutscher und schweizer Designmarken einrichtet?
Ursula Seeba-Hannan: Ein Investor von dort hatte in Berlin einige unserer Projekte gesehen, die mit maßgefertigten Schrank- und Kücheneinbauten unserer eignen Firma ausgestattet sind, und sagte zu meinem Sohn: „Solche Qualität gibt es bei uns nicht. Ihr müsst nach Monte Carlo kommen!“ Wir selbst hätten nie daran gedacht.
Die Villa Nuvola wirkt sehr privat. Auch ein Schaufenster gibt es nicht.
Das ist das Konzept. Kein Mensch läuft in Monaco durch die Gegend und geht in einen Showroom um etwas zu kaufen. Man muss die Leute anders abholen. Also wollten wir einen Ort schaffen, den sie sich als ihr eigenes Zuhause vorstellen könnten. Man braucht eine Voranmeldung und ist dann wie privat auf diesen 800 Quadratmetern Wohnraum. Ich lade auch ausgewählte Kunden und koche dann für sie. Das gilt als etwas Besonderes, weil keiner selbst kocht. Man geht entweder essen oder hat einen Koch.
Wie haben Sie Marken wie Thonet, Jan Kath, Vitra, Occhio oder Walter Knoll ins Boot geholt?
Das ging sehr schnell, ich hatte ja schon 2018 mit ihnen zusammen gearbeitet. Damals hatte ich die Renovierung des Thomas Mann-Hauses in Pacific Palisades nahe L.A. übernommen, die das Auswärtige Amt gekauft hatte und Stipendiaten zur Verfügung stellen wollte. Die sollten sich wohlfühlen, fand ich, und habe es nicht wie ein Museum gestaltet, sondern mit den Möbeln großer deutscher Marken.
Thomas Mann-Haus in Kalifornien
Sind Sie eigentlich Architektin oder Interiordesignerin?
Weder noch! Ich bin eigentlich Tänzerin, habe Eurythmie studiert und später 15 Jahre am Theater gearbeitet, an der Komödie am Kurfürstendamm. Das Entwerfen und Einrichten kam erst, als ich mir und meinem Mann eine Wohnung renovierte und merkte: Ich kann das.
Wie kam es zu dieser unkonventionellen Laufbahn?
Ich glaube, ich wusste meistens gut, was ich wollte. Und wenn nicht, dann doch immerhin, was ich nicht mehr wollte. Das fing damit an, dass ich mit 14 von einer staatlichen Schule auf die Waldorfschule in Zehlendorf wechselte, wo ich aufgewachsen bin. Ich hatte jemanden kennen gelernt, der sie besuchte und war begeistert von der Art zu lernen. Also bin ich drei Monate jeden Tag nach der Schule dort im Sekretariat aufgekreuzt und habe erklärt: „Ich will hier sein“. Dann wurde ich aufgenommen. Meine Eltern fanden das super. Diese Schulform, bei der es so sehr um Kreativität geht und darum, allem auf den Grund zu gehen, war prägend.
Offensichtlich, da Sie danach auch Eurythmie als Beruf wählten, die anthroposophische Ausdruckskunst.
Ich habe noch bei Helene Reisinger studiert, die bei Rudolf Steiner selbst gelernt hat, war sehr früh fertig und habe mein eigenes Ensemble gegründet, das gibt es heute noch. Aber wir waren sehr modern, haben Choreografien zu Musik von Arnold Schönberg und Anton Webern entwickelt, nicht alles hat den orthodoxen Anthroposophen gefallen. Nach drei Jahren, ich war 26, habe ich beschlossen: So, du machst jetzt Regie.
Hatten Sie da schon eine Vorstellung, wo und wie?
Nein. Ich hatte nichts. Aber der Zufall war auf meiner Seite. Bei einem Essen erzählte ich meiner Tischnachbarin von meinem Vorhaben. Ihr Bruder sei Regisseur, sagte sie, und brauche vielleicht eine Assistentin, „der ruft Sie mal an“. Und dann hatte ich Wolfgang Spier am Telefon…
… der am Theater und an der Komödie am Kurfürstendamm inszenierte und auftrat. Kaum einer hat das Boulevard-Theater in Deutschland stärker geprägt …
Trotzdem musste ich mich anfänglich ein wenig akklimatisieren. „Was machen die da?“, dachte ich. „Die fühlen ja gar nicht hinter sich!“ (lacht). Aber diese Berliner Häuser haben wirklich gute Inszenierungen gemacht. Ich wurde Besetzungschefin, hatte zum Schluss bestimmt 30 Produktionen im Jahr zu betreuen. Es war großartig, aber irgendwann, ich war inzwischen 40, wurde mir klar: Es ist genug.
Danach haben Sie wieder das Metier gewechselt, und in knapp 15 Jahren eine Holding mit acht Firmen aufgebaut, die alle Bereiche des Planens, Bauens, Einrichten abdecken. Gab es irgendwelche Erfahrungen aus Tanz und Theater, die Ihnen dabei nützlich waren?
Beim Umbau unserer eigenen Wohnung in Berlin, mit der alles anfing, habe ich viel mit Durchblicken, Schiebetüren und Symmetrien gearbeitet. Ich habe sie wie ein Bühnenbild konzipiert, das war ich ja nun gewöhnt (lacht). So konnte ich in einer 100 Quadratmeter-Maisonette u.a. zwei Bäder, zwei Schlafzimmer, eine große Küche und ein großes Esszimmer unterbringen, und es sah trotzdem großzügig aus. Mein Mann hat mich einfach mit viel Vertrauen machen lassen und unsere Freunde konnten kaum glauben, dass man aus so wenig Platz soviel machen kann, es sprach sich herum und zog die ersten Aufträge nach sich.
„Aber noch mehr als vom Theater habe ich vom Tanz profitiert. Durch die Eurythmie hatte ich einfach ein Verständnis für den Raum. Man durchmisst ihn körperlich und erfährt ihn so einfach anders. Für mich hat ein Raum eine Seele, und ich spüre auch, wenn er keine hat. Das tut weh!“
Wie war es, als Sie das erste Mal die Villa Buchthal im Berliner Westen betraten? Dieses Architekturjuwel von 1920 war lange vergessen und wurde durch Ihre behutsame Renovierung neu entdeckt ….Neben dem schon erwähnten Haus von Thomas Mann in Kalifornien, ist es wohl Ihr bedeutendstes Projekt.
Aber der erste Eindruck war ernüchternd. Von außen sah es wie ein 60er-Jahre-Bau aus, von innen war es dunkel und verbaut. Die Brüder Hans und Wassili Luckhardt, die später als Vertreter des „Neuen Bauens“ berühmt wurden, hatten für das Sammlerehepaar Thea und Eugen Buchthal ein expressionistisches Haus entworfen, mit einem außergewöhnlichen, sichelförmigen Grundriss, farbigen Wänden und einer dramatischen Giebelfassade im Zentrum. Die allerdings war schon 1929 bei einem umfassenden Umbau des Architekten Ernst Ludwig Freud, der Sohns von Sigmund Freud, hinter einer geraden Putzwand verschwunden. Wir haben diese dann vorsichtig abgetragen, wussten aber nicht, ob der Giebel dahinter noch vorhanden war. Der Moment, als er zum Vorschein kam, war unbeschreiblich!
Aber Sie haben nicht alles rekonstruiert.
Wir haben versucht, eine Mischung zu schaffen aus dem, was sich vom Originalentwurf und vom ersten Umbau erhalten hat und es mit den Bedürfnissen des Bauherren zu verbinden. So versuchen wir bei allen Renovierungsprojekten zu arbeiten. Rückbauen, wo es nötig ist, Aufarbeiten, was geht, Materialien retten und gegebenenfalls anders im Projekt einsetzen, Neues verwenden. Wir respektieren die Schichten, die ein Haus hat, aber wir leben in der Gegenwart.
Geben Ihnen Bauherren Carte Blanche?
Das ist immer ein Miteinander. Der Bauherr vom Haus Buchthal hat selber aktiv in Nachlässen gesucht und mit mir über die Veränderungen diskutiert. Die Wohnungen, die ich für meine Bauherren gestalte, müssen wie ein Handschuh sein: Sie schlüpfen rein und es passt. Also versuche ich herauszubekommen, wie sie leben – frühstücken sie gern im Bett, wo sitzen sie am liebsten, wenn sie am Computer arbeiteten? Fläzen oder sitzen sie lieber auf einem Sofa? Es soll zu ihnen passen, nicht mein Stil sein.
Wiederentdeckte Ikone: Haus Buchthal nach Plänen der Brüder Luckhardt in Berlin
Aber bestimmte Charakteristika gibt es: Haptik spielt eine große Rolle, warme Materialien, klar Linien …
… und die Formen gern gerundet. Ich hatte angefangen, eigene Küchen zu bauen, weil ich welche mit runden Ecken wollte, und die gab es damals nicht. Und farbige Wände sind wichtig, die nehmen einen anders auf. Ich hätte höchsten ein Problem, wenn jemand Kleingeblümtes von mir wollte. Laura-Ashley ist nicht so mein Stil.
Die Architekturszene ist nach wie vor eine Männerdomäne und nicht frei von Eitelkeit. Wie werden Sie als erfolgreiche Frau und Autodidaktin wahrgenommen?
Gar nicht. Architekten haben selten eine Vorstellung davon, was wir hier machen: Das wir nicht nur Inneneinrichtungen entwerfen und Einbauten selbst fertigen, sondern auch Häuser planen und bauen – und seit mein Sohn – er ist Betriebswirtschaftler – im Unternehmen ist, auch Investoren sind.
Stört Sie die Ignoranz?
Ach wo! Ich nehme aber auch keine Rücksicht darauf. Uns geht es immer ums Projekt. Und wenn ich für eine Sache brenne, gebe ich alles.
Der Showroom in Monte Carlo:
Villa Nuvola in Monaco, mit Produkten u.a. von Vitra, Jan Kath, Occhio, Walter Knoll, Manufakt und Luiz. Photography Christoph Philadelphia