Dokudrama mit Ken Duken

Der andere Hans

Adieu Klischee und Hamburger Jung. Es ist die Zeit, in der Idole und Ideale hinterfragt werden. Ken Duken verkörpert Hans Albers im Dokudrama. Ein Mann voller Liebe und Kälte.

Frühjahr 1946. Deutschland ist befreit vom Nationalsozialismus, aber die Schrecken des Krieges lasten noch schwer auf dem Land. Auf seinem Grundstück am Starnberger See hat sich Hans Albers regelrecht verkrochen. Der Hamburger Jung, Schlachtersohn, groß, blond, blendend, ist zu diesem Zeitpunkt der beliebteste Star in Deutschland, Schauspieler und Schlagerstar. Doch Albers lebt im Verborgenen. Als Leinwandstar zu Zeiten Hitlers erschien er den alliierten Siegern anfangs verdächtig, ein Sympathisant des Regimes zu sein. Doch längst haben sich Marlene Dietrich und andere Größen für ihn eingesetzt. Albers ist rehabilitiert. Und doch hat er sich verkrochen. Bis eines Tages eine Frau in der Uniform eines britischen Offiziers vor seiner Villa im oberbayerischen Garatshausen vorfährt. Hansi Burg ist nach Deutschland zurückgekehrt. Seine große Liebe. Er trennt sich umgehend von seiner Geliebten. Aber weit mehr muss noch geklärt werden. Am 6. Januar 2021 strahlt die ARD das Dokudrama „Die Liebe des Hans Albers“ aus. Die Hauptrolle spielt Ken Duken. Groß, blond, blendend. Ein Gespräch über Rollen, die das Leben spielen.

ICON: Ken, Sie haben eben gesagt: „Es gibt solche und solche Menschen.“ Wie kommen Sie grad klar?

Ken Duken: Ich habe im März und bis Mai wie so viele einen plötzlichen Berufsstopp erlebt. Ich habe aber gerade in Marokko einen Film fertig gedreht, der während des ersten Lockdowns abgebrochen wurde und es gab noch ein kleines Projekt zwischendurch. Doch normalerweise drehe ich oft internationale Koproduktionen – diese Projekte sind im Moment kaum möglich. Oder es wird gedreht, aber ständig spielt das Risiko mit. Wie ist die Quarantäne-Regelung in zwei Wochen? Musste gerade etwas absagen, weil sich binnen einer Woche die Regel geändert hat. Ich agiere also auf Sichtflug. Es gibt Krisengewinner und Krisenverlierer. Ich trage eher ein großes L auf der Stirn.

L wie Looser, meinen Sie? Haben Sie Verständnis für die Auflagen?

Es kommt schon zu Absurditäten. Am Flughafen in der Lounge darf man nicht sein eigenes Essen verzehren, aber im Flugzeug werden die Leute zusammengepfercht. Niemand in meinem Freundeskreis käme auf die Idee, Corona zu leugnen; die, die es hatten, sagen deutlich, das braucht kein Mensch. Darauf können wir uns alle einigen. Aber was bedeutet es, dass so viele Freunde von mir durch die politischen Entscheidungen ihre Existenzen verlieren? Dass Schutzmaßnahmen unter Umständen mehr Schaden anrichten als helfen, das sollten wir schon diskutieren. Mich treibt die Entmündigung ebenso um wie der Populismus. Ich hatte gehofft, dass die Menschen eigenverantwortlich und vernünftig handeln.

Hans Albers, den Sie gerade verkörpert haben, stammt aus einer Generation, die furchtbare Zeiten erlebt hat. Zwei Kriege, Weltwirtschaftskrise, Währungsreform, alles so existenziell und ungewiss. Hilft Ihnen das?

Ich denke viel darüber nach. Kann gar nicht zählen, in wie vielen Filmen über Kriege ich gespielt habe, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg, aber auch solche Szenen wie Wikingerblutgemetzel. Da wird man schon dankbar für die Welt, in der man heute lebt. Wenn ich am Set stehe, frage ich mich natürlich, wie das war, wenn man sich gegenübersteht und einfach mal mit dem Schwert den Oberkörper zerteilt? Der Kalte Krieg. Was selbst in den 1970erJahren für eine Gewalttätigkeit herrschte. Ich habe das Gefühl, wir Menschen lernen nicht. Es bleibt der ewige Konflikt: Der eine hat ein Bedürfnis und der andere hat ein gegenläufiges. Bei Tschechow kommt es ja nicht zum Drama, wenn einer recht hat, sondern alle.

Was machen wir dann?

Bewusstsein haben, hinterfragen, das dürfen wir uns nicht nehmen lassen. Man muss sich die Optionen offen lassen, vehement gegen etwas einzutreten. Aber nur um der Sache willen, nicht um des Dagegenseinwillens ohne Sinn und Verstand.

Total Look mit Mantel aus Schaffell-Wildleder: Prada
Anzug: Brioni. Rolli: Windsor

Allerdings sieht sich derjenige, der eine Meinung hat, zunehmend selbst ernannten Moralinstanzen oder unqualifiziertem Geschrei gegenüber.

Dummheit ist laut und vorn.

Aber auch die Political Correctness. Ein falscher Witz und du bist weg vom Fenster.

Es wird halt alles instrumentalisiert. Auch in der Pandemie. Wie viele Kinder sind in Afrika im Lockdown an Polio gestorben, weil die Impfung nicht mehr hinkam? Oder jemand bringt sich um aus Existenzangst. Dann heißt es schnell, ach ja der, der war psychisch krank. Natürlich müssen wir retten, müssen wir schützen, aber im Moment sehe ich ein großes Kommunikationsproblem. Die Maßnahmen müssen diskutiert und für jeden verständlich erklärt werden.

Da sind wir bei Hans Albers, der seine Frau Hansi in der Nazizeit wegschickte, weil es zu gefährlich für sie im Land wurde.

Wenn man ehrlich ist, war es andersrum. Hans Albers ist sehr differenziert anzuschauen. Diese Figur ist glatt wie ein norddeutscher Aal. Immer wenn ich dachte, ich habe einen Zugang zu ihm, dann ist er mir komplett aus der Hand gerutscht.

Zum Beispiel?

Man hat dieses Bild vom schunkelnden Hamburger Jungen im Kopf, kennt seine Filme, aber wenn man sich dann genauer damit auseinandersetzt, stellt man fest, er hat in seinen Filmen klassisches Altdeutsch gesprochen, mit den schweren Betonungen, oder er hat berlinert. Das war sehr tagesformabhängig. Wie voll war er? Wie voll war er nicht? Wie emotional war er, wie viel Spaß am Spiel hatte er?

Galt das auch für seine Beziehung zu Hansi?

Sie war seine große Liebe, aber es war auch eine kaputte Beziehung. Er weigerte sich immer, sich von ihr zu trennen, als die Nazis das forderten, sagte: „Privat ist privat, das geht niemanden etwas an.“ Auch nicht den Führer. Aber als er nicht mehr arbeiten durfte, hat er Göbbels, den er immer Göhbels nannte, geschrieben, dass er sich trennt. Den Brief zeigte er Hansi, die war fassungslos, und er antwortete: „Das ist doch nur Papier.“

Und dann?

Hat er ihr eine Wohnung nebenan gekauft und gesagt: „Wir treffen uns, wenn ich fertig gedreht habe, und fahren in Urlaub, alles ist gut.“ Für mich ist er der Mann, der vorn schwärmend in den Sonnenuntergang schaut und, als hinter ihm das Gewitter los tobt, fragt: „Wo sind denn die Musikanten, ich höre Pauken?“

Das Hamburger Idol, das aber lieber am Starnberger See lebte.

Weil er dort den Hamburger Jung halt kultivieren konnte. Es ist schon faszinierend, was für eine abgefahrene Figur er war. Mit viel Haltung den Nazis gegenüber, aber auch nicht mit genügend Haltung. Die Jüdin Hansi brachte sich im Ausland in Sicherheit, aber er ging nicht mit, weil er die Liebe der Deutschen nicht verlieren wollte. Da war er ein gefeierter Star, woanders hätte er alles verloren, was ihn ausmachte.

Der Volksschauspieler wie das Volk. Kein Nazi sein ist klar, aber aktuell diskutieren wir doch auch, zum Glück als freie Bürger: Wie verhält man sich richtig?

Haltung zeigen die wenigsten, wenn es unangenehm wird. Ich fühle mich deswegen bei den aktuellen Diskussionen ständig zwischen den Stühlen. Was die Nazizeit angeht, ich habe bestimmt 15 Filme darüber gemacht, aus allen Blickwinkeln. Vom überzeugten SS-Offizier bis zu dem jüdischen Lehrer der 50 Kinder vor den Nazis rettete. Auch deswegen bin ich über die Unversöhnlichkeit, mit der sich Menschen heute begegnen, irritiert. Der Hass, der in der Luft liegt, verunsichert mich.

Wie schützen Sie sich mental davor?

Mit Sport. Alles Emotionale bekomme ich durch Sport fokussiert. Während des Drehs zu Hans Albers ging es los mit Corona. Uns wurde klar, wie wichtig es ist, einen Film mit Haltung zu machen. Das Wort steckt in Unterhaltung ja drin.

Sakko: Brunello Cucinelli über Braun Hamburg. Rolli: Brax

„La Paloma“ – der Hans-Albers-Klassiker. Darin geht es um Trost, vor allem aber um Sehnsucht. Haben Sie Fernweh?

In dem Punkt bin ich vielleicht doch Corona-Gewinner. Denn ich bin wahnsinnig gern zu Hause. Ich war in diesem Jahr relativ viel unterwegs. Aber dann sitzt du an einem Traumort wie in Marrakesch, schaust auf einen herrlichen Pool, allein, womöglich mit einer Maske, ohne Freunde, Familie, postest so ein typisches Instagram-Video, auf das viele mit Herz-Smileys reagieren. Aber im Grunde bringt es einem sehr wenig, wenn man solche Augenblicke nicht real mit anderen Menschen teilen kann, besonders mit denen, die man liebt.

Können Sie nicht gut allein sein?

Im Gegenteil: „Its fucking priceless“, wie Tom Hardy mal gesagt. Ich kann mich gut beschäftigen, aber auf Dauer fehlt mir mein Sohn sehr, fehlt mir meine Frau. Und Menschen, die mir am Herzen liegen. Ich bin aber mehr der qualitative Zeit-Typ als quantitativ.

Hans Albers war der blonde Hans, schön war er auch gern. Sie werden ja nicht so gern als schöner Mann klassifiziert, richtig?

Ich bin ja nicht blond … Der blonde Ken ist mir oft genug passiert. Und wenn man als Ken Duken in Bayern groß wird, lernt man Humor auf eigene Kosten. Und vielleicht habe ich deswegen erst überlegt, ob ich mich der Figur Hans Albers nähern will. Sie schien weit entfernt von dem, was ich spielen will. Dann beschloss ich, es zu probieren, und wusste auch genau, wie ich ihn zu spielen habe. Bis wir kurz vorm Dreh merkten, dass die Maske so nicht funktioniert. Also habe ich umgedacht, wollte lieber die Energie, den Zeitgeist, die Persönlichkeit verkörpern, als eins zu eins ein Bild zu liefern, was womöglich klamaukig wird. Habe acht Kilo draufgefuttert, die jungen Jahre mit eingezogenem Bauch gespielt, für den alten Hans stand ich nur noch mit Hohlkreuz und Blähbauch da. Ob der Film gut ankommt, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass es eine Arbeit ist, auf die ich seit langer Zeit sehr stolz bin.

Anzug und Seidenschal: Hermès. Hemd: Dior Men
Interview
Inga Griese
Fotografin
Xiomara Bender
Styling
Daniel Sartore
Grooming
Gabrielle Theurer c/o basiscs