Ikonen unter sich

Drei Cappuccino für Brad Pitt

 Der amerikanische Schauspieler ist jetzt Werbefigur für den Kaffeevollautomaten-Hersteller De’Longhi. Dessen Slogan heißt: „This is perfetto“. Stimmt wohl, denkt Inga Griese.

Es wurde 23 Uhr abends, aus Zoom ein Telefonat. Und ich solle auf gar keinen Fall die Frage stellen, ob sein Kumpel George „Nespresso“ Clooney ihn vielleicht inspiriert hätte, eine Werbepartnerschaft mit dem Marktführer im Bereich Kaffeevollautomaten De’Longhi einzugehen. Auch andere Fragen solle man am besten gar nicht stellen. Da wird im Vorfeld gern mal eingegriffen. Es wurde dann aber doch ein unerwartet unkompliziertes Gespräch. Denn Brad Pitt ist auch am Telefon so entspannt und zugewandt, wie man es sich gern vorstellt.

Brad, wie viel Kaffee hatten Sie heute schon?

Drei Cappuccino, meine übliche Routine.

Ich komm morgens gar nicht Gang ohne Kaffee. Wie ist es bei Ihnen?

Geht mir auch so. Das Erste, was ich tue:
Ich lasse die Hunde hinaus und mach mir einen Kaffee. Ab dann nimmt alles seinen Lauf.

Wie kam es zur Kooperation mit De’Longhi?

Wie bei anderen Projekten und Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, brauche ich eine gewisse Qualität, eine gewisse Eleganz und gleichzeitig auch eine gewisse Demut. Ich höre auf mein Bauchgefühl und ich muss sagen, die Zusammenarbeit hat wirklich Spaß gemacht, und ich habe sehr viel Respekt für das, was sie umgesetzt haben. Haben Sie den Spot gesehen, der von Damien Chazelle realisiert wurde?

Ja. Er zeigt im besten Hollywood-Stil, untermalt von coolem Musikvibe, wie Sie auf einem Motorrad die Küstenstraße in Los Angeles, Kalifornien, entlangdüsen, dem Sonnenaufgang entgegen, Kaffeebohnen kaufen, tanken, in einer Werkstatt pausieren und schließlich in einem Zuhause ankommen und sich einen Cappuccino-Mix von der Maschine brühen lassen. Der Werbeeffekt ist in jedem Fall, dass man Sie gern begleiten würde.

Ich fand die Produktion eine sehr mutige Entscheidung, die viel über das Vertrauen in das eigene Produkt sagt. Der Spot ist sehr subtil und sehr schön – so etwas bewundere ich.

 

Ich nehme an, bei Ihnen steht auch so eine prachtvolle Kaffeemaschine?

Nun, ich kann jetzt auf meine Beziehungen zurückgreifen …

Der CEO von De’Longhi, Massimo Garavaglia, schwärmt von Ihnen als „Quintessenz unserer Marke, mutig und international, gleichzeitig anspruchsvoll und elegant“. Mal abgesehen davon, dass man vielleicht nicht mit einem Kaffeevollautomaten verglichen werden möchte, welches Kompliment würden Sie zurückgeben?

Der europäische Stil, und insbesondere der italienische, haben etwas Besonderes: die Wertschätzung des Tages, des Lebens, der Momente, in denen man innehält und sich freut. Damiens Spot widerspiegelt das sehr. Er liebt das italienische Kino der 60er sehr, die Ästhetik insbesondere.

In den 60ern pflegten wir in Deutschland „echten“ Filterkaffee, von Hand in Porzellan aufgegossen, eine Kostbarkeit. Jetzt gibt es in der hippen Szene eine Rückbesinnung auf die entschleunigte Art der Kaffeezubereitung und zugleich sind Vollautomaten sehr präsent. Sind Sie mehr der Barista-Typ oder drücken Sie einfach auf einen Knopf und lassen laufen?

Ich mag das Ritual, morgens mit der Tasse auf der Veranda den Tag planend. Aber ich bin da amerikanisch und drücke also auf den Knopf.

 

De’Longhi hat im September die erste internationale Kampagne der Firmengeschichte gestartet. Regie: Damien Chazelle. Kameramann: Linus Sandgren. Komponist: Justin Hurwitz. Fotograf: Lachlan Bailey. In der Hauptrolle in L.A.: Brad Pitt. Und die Kaffeemaschinen natürlich.

Brad Pitt

Die Italiener nennen unseren „normalen“ Kaffee Americano, weil die amerikanischen Militärs im Land den Espresso gestreckt haben, da er ihnen zu stark war. Man hätte ihn womöglich genauso „Tedesco“ nennen können.

Das wusste ich nicht, es macht aber durchaus Sinn.

Sie interessieren sich neben Schauspiel und Filmproduktionen auch für Kunst, Architektur und Kultur im Allgemeinen und haben bekanntlich eine Affinität zu Europa, realisieren hier architektonische Projekte, unter anderem in Berlin. Haben Sie auch ein Augenmerk auf italienisches Design?

Wissen Sie, es ist wie bei den Kategorien in der Musik, es gibt in jeder Kategorie Musiker, die mir gefallen. Wenn man vom italienischen Design spricht, finde ich Carlo Scarpa toll, ich bin immer total hypnotisiert von seiner Arbeit. Man merkt, er hat sich Gedanken gemacht, und es gibt subtile Details, die man nicht direkt wahrnimmt, die aber einen starken Einfluss haben. Wir Amerikaner können das nicht so gut, innehalten und genießen – das mag ich sehr an der europäischen Kultur. Wenn ich an deutsches Design denke, denke ich an Innovation und Effizienz, die Ästhetik hat nichts Überflüssiges, sie ist funktional. Vielleicht ist das etwas vereinfacht formuliert. Jedenfalls war mein absoluter Favorit, bei dem das Design mich wirklich umgehauen hat, der BMW GINA, ein Konzeptfahrzeug, das 2008 präsentiert wurde. Zuständig war ein amerikanischer Designer, Chris Bangle, der mit einem deutschen Team daran gearbeitet hat. Ich bin mir nicht sicher, ob eine amerikanische Automarke so etwas hätte hervorbringen können.

Autoleute, das ist wohl das deutsche Markenzeichen. Es gibt darüber hinaus aber eine Agenda für ein „New European Bauhaus“ in gedanklicher Anlehnung an die Bauhaus-Bewegung in Weimar, bei der es ja schon damals nicht nur um Design, sondern wesentliche gesellschaftliche Veränderungen ging.

Sie machen mich neugierig. Können Sie das erläutern?

Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, will der sogenannten Kreativindustrie einen höheren Stellenwert zuschreiben, schon weil sie ein großes intellektuelles und materielles Vermögen darstellt und für europäische Identität, Kultur und Werte steht. Zudem sind Design, Lifestyle und Kreativität die treibenden Kräfte für Wachstum. Da wären wir dann wieder bei Ihrem neuen Werbepartner, der ein „außergewöhnliches Wachstum verzeichnet“, wie es heißt. Aus meiner Sicht ist es allerdings die Inspiration, die so energetisch ist wie ein Kaffee am Morgen. Was denken Sie?

Absolut. Oftmals wird der künstlerische Bereich als Erstes nicht mehr finanziert, und es wird unterschätzt, wie wichtig unsere Umgebung ist, die Dinge, die wir in der Hand halten und wie sie funktionieren. Insofern klingt das Vorhaben wundervoll!

Waren Sie schon oft in Italien?

Ja, ich besitze ein Haus im Süden Frankreichs, und die Grenze zu Italien ist nur eine Stunde und 40 Minuten entfernt, insofern komme ich dort regelmäßig hin. Aber wissen Sie, ich habe viele Orte, die ich liebe, auch in Frankreich, in Spanien, in den Niederlanden, in Deutschland. Und ich möchte gern nach Norwegen, da war ich noch nie.

Europa ist zwar politisch nicht mächtig, aber kulturell divers stehen wir ganz gut da, oder?

Ja, die verschiedenen Lebensstile finde ich toll. Und Sie sprachen vorhin von Macht. Es kommt darauf an, wie man sie definiert. Die Macht, an der ich interessiert bin, hat nichts mit Gewalt zu tun. Mich interessiert die Macht der Ideen, der Ästhetik, der Seele. Und wichtig ist, wie wir zusammenleben. Die Europäer sind darin geübt, die Unterschiede zu genießen.

Waren Sie eigentlich in einer Art Dauerlockdown oder konnten Sie arbeiten?

Wir konnten mit Covid-Maßnahmen arbeiten – herausfordernd, aber machbar. Leider weiß ich bis heute nicht, wie die Crew aussah, weil alle maskiert waren. Und in L.A. haben wir ja Glück mit dem Wetter, es gibt viel Platz, und man fühlt sich frei. Ich persönlich habe die meiste Zeit im Lockdown damit verbracht zu töpfern, für mich und meine Freunde, das hat Spaß gemacht. Und wir haben auf Produktionsebene an der Entwicklung von Projekten gearbeitet.

 

Brad Pitt

 

Sie haben den Film „Bullet Train“ gedreht. Der Slogan dazu lautet Geschwindigkeit nonstop – klingt nach einer Ansage, unser Leben wieder auf Geschwindigkeit zu bringen.

Ja, stimmt! Er sollte im Frühjahr 2021 erscheinen, und da für viele von uns alles so schwermütig geworden war, wollte ich etwas Erfreuliches machen.

Seit Anfang Juni bin ich wieder viel gereist, habe viel Dankbarkeit wahrgenommen – sich zu sehen, zu umarmen fühlt sich ganz anders an. Geht Ihnen das auch so?

Teilweise. Die Lage hat sich hier erst vor Kurzem entspannt, und wir sind noch damit beschäftigt, das zu realisieren, aber es fühlt sich sehr gut an.

Lieber direkte Begegnungen als Zoom?

Sicher, aber ich bin nicht durch mit Zoom, im Gegenteil: Ich schätze die Möglichkeit, weil wir alle so verteilt sind, und da sparen wir uns viele Stunden Unterwegssein.

Aber braucht der Mensch als solches nicht den persönlichen Kontakt?

Diese Zeit hat sicher unsere Perspektive verändert darüber, wie wir unsere Zeit verbringen, mit wem und womit, es hat uns gezeigt, was Lebensqualität ist, und ich bin sehr gespannt, welche Veränderungen sich herauskristallisieren werden. Es wird vorausgesagt, dass wir wirtschaftliche Schwierigkeiten haben werden, mal schauen. Jedenfalls bin ich dankbar für diese neu gefundene Wertschätzung des menschlichen Zusammenseins.

Den „Refill“, so wie in den USA im Diner, wo man immer wieder Kaffee nachgefüllt bekommen kann?

Das ist eine schöne Art, es zu betrachten.

 

Text
Inga Griese
Fotos
DeLonghi