Bodybuilder, Schauspieler, Gouverneur. In allem wurde Arnold Schwarzenegger weltberühmt, weil er nicht nur Ehrgeiz und Durchhaltevermögen hatte und hat, sondern immer auch eine Vision. Sein Titel „Mister Universum“ steht längst für mehr als die beeindruckende sportliche Leistung, schon vor über fünfzig Jahren hat er Umweltschutz als großes gesellschaftliches Thema in den Mittelpunkt seines Handelns gestellt und lässt das Wort „unmöglich“ nicht gelten.
Wenn schon, denn schon
Die Sonne hat sich gerade aus dem Horizont der endlosen Mojavewüste erhoben, auf dem Klapptisch vor dem Wohnmobil auf dem Parkplatz der „Pine Tree Wind Farm“ in Kern County werden Kaffee und vegan-vegetarische Frühstückssnacks aufgebaut, als die Müdigkeit und Steifheit nach der stundenlangen Autofahrt von Los Angeles schlagartig verfliegt. „ER kommt!“ Ein dunkler Van nähert sich, andere Superstars hätten wahrscheinlich auf einem Helikopterflug bestanden, Arnold Schwarzenegger, 74, aber ist auch im Morgengrauen losgefahren, steigt aus, freut sich, seinen alten Freund Tom Junkersdorf wiederzusehen, ist hands-on zu allen, räumt im Wohnmobil erst einmal auf und lässt sich ein auf Styling und Make-up. 13 Stunden werden wir unterwegs sein, Bilder machen, Gespräche führen. Er spricht immer noch mit dem Dialekt aus der österreichischen Heimat Thal und Englisch, wenn es wichtig wird. Fotograf Michael Muller ist ganz nach seinem Geschmack, er hat einen guten Humor, ist vorbereitet, schnell und macht ikonische Bilder. Nur ganz am Ende, beim zweiten Teil des Shootings mit seiner jüngsten Tochter Christina am Strand von Malibu, als sich die Sonne schon wieder aufmacht zu einer anderen Zeitzone, wird er unruhig, kein Pulloverwechsel mehr, bitte. Er hat noch eine Verabredung, und Pünktlichkeit ist ihm wichtig.
Es war sein Vorschlag, in die Wüste zu fahren. Hier, in die kargen, hohen Felsenformationen, hatte er 2008 als Gouverneur von Kalifornien den ersten staatlichen Windpark hinstellen lassen. Und wir wollten symbolische Bilder einfangen. Deshalb die Wüste, der Wind, das Meer, Christina. Und die schönen Klamotten. Klima, Stärke, Zukunft, Zuversicht. Seine, unsere großen Themen.
Video Frank Fastner
Wir alle erleben gerade, wie sehr sich das Wetter verändert, dass der Sommer kein echter Sommer mehr ist. Haben Sie eine Erinnerung an das Wetter in Ihrer Kindheit?
Schwarzenegger: Ja, manchmal war es freezing cold, 30 Grad unter null. Und dann gab es sonnige Tage. Wir haben alles gehabt – einen wunderschönen Herbst, wunderschöne Sommer, herrlichen Frühling. Und der Winter war wunderschön. Da sind wir beim Eisschießen gewesen und beim Rodeln. Es gab Stürme, Gewitter und alles. Aber nicht so wie jetzt. Heute ist es viel extremer.
Wann haben sie das erste mal von Umweltschutz gehört?
Als ich 1968 nach Amerika gezogen bin. In Los Angeles gab es die Diskussion, dass wir den Smog loswerden müssen. Ich erinnere mich, dass ich oft Tränen in den Augen hatte. Ich wusste erst nicht, was die Ursache dafür war. Die Leute haben mir dann erklärt, dass es der Smog sei. Damals war der irgendwie gelblich. Ronald Reagan war zu der Zeit Gouverneur. Und er und seine Frau Nancy waren so verärgert über den Smog, dass er eine unabhängige Luftreinhaltungsbehörde gründete. Sie sollte die Umweltverschmutzung kontrollieren, nicht die Politiker. Denn wenn Politiker es machen, wird es nie geschehen. Politiker lügen traditionell, um gewählt zu werden. Ronald Reagan war anders, er war ein Genie, er hat die Luftreinhaltungskommission geschaffen, die absolut entscheidend war, um unsere Umweltziele in Kalifornien zu erreichen.
Und dann haben Sie es auch politisch zu Ihrem Thema gemacht.
Das war, als ich anfing, als Gouverneur zu kandidieren. Kennedy Jr. rief mich an und sagte: „Arnold, ich möchte, dass du gewinnst. Aber es wird einfacher sein, wenn du jemanden in dein Team holst, der Umweltexperte ist. Ich habe einen, denn ich weiß, dass dir die Umwelt am Herzen liegt.“ Und ich sagte: „Ja, das mache ich. Wen hast du denn?“ Es war Terry Tamminen, der als Umweltstratege, Dozent und Bestsellerautor heute übrigens CEO der Leonardo DiCaprio Foundation ist. Kennedy besorgte mir diesen Kerl. Ich sagte zu Terry: „Hören Sie, ich will Gouverneur werden. Und wenn ich Gouverneur bin, will ich nicht nur normale Sachen machen, ich will große Dinge tun. Denn wenn wir die Macht haben, können wir große Dinge tun.“ Und so haben wir ein Programm zusammengestellt, dass niemand in Kalifornien oder irgendwo sonst in Amerika machte, um die Treibhausgase zu reduzieren, eine Million Solardächer zu errichten, zu 50 Prozent erneuerbare Energien einzubauen, einen kohlenstoffarmen Kraftstoffstandard zu schaffen. Eine große Vision. Alle sagten, es sei unmöglich, es zerstöre die Wirtschaft. Wir haben unsere Versprechen in die Tat umgesetzt, und wir sind wirtschaftlich die Nummer eins in Amerika. Umweltschutz macht also die Wirtschaft nicht kaputt. Wir sind nicht nur die Nummer eins in der US-Wirtschaft.
Wir haben die fünftgrößte Ökonomie der Welt – hinter Deutschland, China, Japan und den USA. Und das mit den strengsten Umweltgesetzen. Nachdem ich mich dann mit Wissenschaftlern traf, wurde ich fanatisch, weil ich sah: „Oh, mein Gott – das ist wirklich ein Problem. Wir müssen etwas tun.“
Was treibt Sie an?
Das Wichtigste ist, dass es einen Grund gibt in allem, was man tut. Wenn ich morgens aufstehe und ich kein Ziel habe, warum sollte ich mich beim Aufstehen freuen? Heute bin ich um 4.45 Uhr aufgestanden. Aber voller Elan, denn ich wollte raus in die Wüste und die Hunderte von Windrädern und die Solarpanels sehen, die 2008 gebaut wurden, als ich Gouverneur war. Wir haben tolle Fotos für ICON geschossen, um für die Idee der erneuerbaren Energie Werbung zu machen. ICON verkauft ja nicht nur Hunderttausende von Magazinen, ihr seid ja auch online, und somit kann eure Arbeit auf der ganzen Welt gesehen werden. Die Massen sind immer mein wichtigstes Thema. Die Politiker kommunizieren untereinander, aber nicht mit den Leuten. Insofern war ich sehr froh, als ich heute Morgen die Kaffeemaschine anmachte, mich anzog und bereitmachte. Auch wenn ich im Urlaub in Sun Valley in Idaho bin und morgens meinen Skianzug anziehe, ist es wie eine kleine Mission, hinauf in die Berge zu fahren, um Ski zu laufen. Ich bin immer voller Energie und voller Enthusiasmus. Man braucht ein Ziel, einen Traum. Etwas, das man verfolgt. Wir sind von Natur aus Jäger, wir müssen etwas jagen. Glück resultiert daraus sowie Zufriedenheit. Heute konnte ich mich im Spiegel betrachten und wusste, ich hab etwas Gutes getan, wie ein Sieger. Wenn ich im Fitnessstudio Leute sehe, bei denen man keinen Elan erkennt, frage ich sie manchmal: „Warum trainierst du?“ Und sie sagen dann: „Ich weiß auch nicht … der Arzt hat mir dazu geraten.“ Ich denke dann, die tun, was der Arzt ihnen rät, statt sich vorzustellen, wie es mit zehn Kilo weniger wäre oder mit stärkeren Muskeln. Ich ziehe gern den Vergleich mit einem Flugzeug: Man kann das höchstentwickelte Flugzeug haben, aber wenn der Pilot keine Ahnung hat, wo er hinsoll, wird das Flugzeug irgendwann abstürzen.
Leute wie Sie und auch wir sind privilegiert. Was ist mit denen, die in einer öden Umgebung leben, ohne Job vielleicht, wie kann man diese Menschen erreichen und für Umweltthemen begeistern?
Es klingt wie ein Luxusproblem, ist es aber nicht. Jeder muss sich fragen: „Möchte ich Teil des Problems sein oder der Lösung?“ Es kommt nicht darauf an, ob du arm oder reich bist, krank oder gesund, berufstätig oder arbeitslos, weiß oder schwarz. Man muss sich immer fragen: Wie kann ich hilfreich sein? Wenn ein Sturm kommt und alles um dich herum wird niedergefegt, gibt es etwas, was man für andere tun kann. Jeder hat die Macht zu entscheiden, ob er ein Produkt kauft, das von weit her kommt, oder eines, das in seinem Land oder sogar in seiner Region produziert wurde. Jedes Mal, wenn wir etwas aus Übersee kaufen, muss es verschifft werden. Die 15 größten Frachtschiffe der Welt sorgen für mehr Umweltverschmutzung als alle Autos der Welt.
Die Produkte aus dem eigenen Land sind aber vielleicht teurer, die muss man sich auch leisten können.
Dann muss man weniger kaufen. Sieben Millionen Menschen sterben jedes Jahr aufgrund der Umweltverschmutzung! Aber zumindest kaufe ich es billig, denken sich viele … Da sage ich: „Nächstes Mal bist du dran und liegst im Krankenhaus.“ Seit 2019 haben wir in Kalifornien trotz Pandemie eine 33-prozentige Steigerung an grünen Arbeitsplätzen. Trotz der Turbulenzen konnten wir für Jobs sorgen. Man kann also beides haben, man muss sich damit nur auseinandersetzen.
Sind wir zu verwöhnt ins unserem Lebenstil? Lähmt uns eine vermeintliche politische Rundum-Garantie?
Natürlich sollte der Staat den Menschen helfen. Aber man muss für sich selbst Verantwortung übernehmen, so war das früher schon. Wie kann ich mir helfen, damit ich anderen helfen kann? Darum sollte es gehen. In Zeiten wie der Pandemie versprechen die Politiker einem alles Mögliche. Das ist eine Lüge. Du selbst musst deinen Hintern hochkriegen, denn dann tun das auch die Politiker. Warte nicht auf Geschenke! Meine Schwiegermutter Eunice Shriver zum Beispiel: Sie erkannte, dass die Regierung versagte, wenn es darum ging, dass jeder Bildung und Arbeit bekommen sollte. Also, was tat sie? Sie setzte sich für Menschen mit geistiger Behinderung ein, hatte mit ihrer Organisation in Zusammenarbeit mit den Regierungen weltweiten Erfolg. Man kann etwas erreichen, wenn man sich einsetzt: im privaten, im öffentlichen oder im gemeinnützigen Bereich.
Heute sprechen alle von Work-Life-Balance, die Arbeitsmoral hat sich geändert. In der westlichen Welt kennen wir eigentlich nur noch Wohlstand. Unsere Probleme mit der Umwelt sind ein Produkt dieser Einstellung: Entweder man interessiert sich nicht dafür oder man möchte sich nicht damit auseinandersetzen.
Es gibt kein „Man kann sich nicht damit befassen“. Es ist sicher auch eine Frage der Bildung. Aber man muss die Menschen immer daran erinnern, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Beim Sport, in einem Team, ist es ja nicht anders. Wenn der eine Spieler beim Basketball den Ball nicht weiterwirft, wird die Mannschaft am Ende nicht gewinnen. Das Gleiche gilt im Leben. Die großen Probleme löst man nur gemeinsam. Wir leben in einen globalen Ökonomie, insofern in einer globalen Konkurrenz. Den Fehler, den Joe Biden jetzt macht und davor Trump: Sie reden immer nur zu den eigenen Reihen und den eigenen Wählern, sie spielen also den Ball nicht weiter.
Sie haben beim Klimagipfel in Wien eine beeindruckende Rede gehalten und gesagt, dass Politiker in der Umwelt-Debatte immer nur negative Botschaften verbreiten, statt die Menschen zu motivieren und ihnen Hoffnung zu machen. Was läuft falsch?
Was die Umweltschützer sagen, ist wahr. Es ist nicht so, dass jemand nicht die Wahrheit sagt. Es ist nur so, dass man die Menschen nicht von morgens bis abends mit negativen Nachrichten bombardieren kann. Ich glaube, dass Menschen auch Hoffnung brauchen. Es ist dasselbe, wie wenn jemand 300 Pfund wiegt und ins Fitnessstudio geht. Du wirst dieser Person nicht sagen: „Was zur Hölle ist mit dir passiert?“ Es wäre falsch, diese Person anzugreifen. Du würdest sagen: „Weißt du was, ich habe drei Kunden gehabt, die haben mehr gewogen als du. Und sie sind auf 200 Pfund runtergekommen. Und weißt du, wie? Weil sie jeden Tag trainiert haben und ihre Ernährung umstellten. Sie haben keine Pizza mehr gegessen, keine Süßigkeiten. Stattdessen Gemüse und Fisch.“ Damit pusht du diese Person, weil sie sieht, dass es Möglichkeiten gibt, es zu schaffen. Das müssen wir auch bei Umwelt-Themen machen. Man muss die Menschen ermutigen. Man muss sie wissen lassen, dass es gute Nachrichten gibt. Viele Nationen auf der Welt versprechen den Menschen, dass sie die Treibhausgase reduzieren werden. Und sie halten sich nicht an ihre Versprechen. Ja, das ist wahr. Aber gleichzeitig müssen wir auch sagen, dass es einige Länder gibt, die großartige Arbeit leisten. Und was den privaten Sektor betrifft, so ist die Technologie inzwischen sehr weit fortgeschritten. Wenn Sie an Tesla denken – ich mache keine Werbung für Tesla, ich halte nur deshalb so viel davon, weil das Unternehmen in Kalifornien gegründet wurde –, sie werden die Treibhausgase enorm reduzieren, weil viele Millionen Autos elektrisch und nicht mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, also hilft die Technologie. Wenn intelligente Stromzähler eingesetzt werden, hilft das auch. In Kalifornien haben wir Gesetze erlassen, um den Energiebedarf für Haushaltsgeräte, Kochen, Fernsehen und all diese Dinge zu senken. Es gibt überall auf der Welt großartiger Technologien, die immer wieder neu entdeckt werden. Und wir müssen den Menschen zeigen, dass es eine Angelegenheit eines jeden Einzelnen ist: Was kann ich tun, um die Umwelt sauber zu halten? Man muss sich selbst die Frage stellen, ob man Teil der Lösung oder Teil des Problems sein will.
In Kalifornien brennt es, in Deutschland gab es gewaltige Überschwemmungen. Und das sind nur Beispiele. Es fällt schwer, da positiv zu bleiben.
Egal, was ist: Wir müssen den Menschen Hoffnung geben. Wir alle erleben jetzt, dass der Klimawandel Realität wird. Wir sehen die Stürme, die Waldbrände, die Überschwemmungen und all diese Dinge. Es ist wichtig, dass auf die richtige Art und Weise zu kommunizieren. Man kann so viel über den Klimawandel reden, wie man will, aber niemand weiß, wovon man überhaupt spricht. Wenn man auf der Straße fragt: „Was ist die Definition des Klimawandels?“, sie werden dir hundert verschiedene Antworten geben. Aber wenn man „Verschmutzung“ sagt: „Ah, das kann man sehen.“ Die kommt aus den großen Schornsteinen und Fabrikgebäuden, sie hängt über jeder großen Stadt auf der Welt, man sieht sie. Deshalb müssen wir mehr darüber sprechen, denn das ist leicht zu verstehen. Dass wir die Verschmutzung beenden müssen, weil die jedes Jahr sieben Millionen Menschen tötet. Das ist die Botschaft, die wir rüberbringen müssen, statt abstrakt über Klimawandel zu reden und über all die Dinge, von denen niemand wirklich weiß, worum es geht. Wie kann ich dazu beitragen, sie zu bekämpfen, wenn ich nicht weiß, was sie sind?
Haben Sie die Hoffnung, dass wir die schöne Welt noch retten können?
Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen es tun. Sobald Umweltschützer und Regierungen zusammenkommen und die Menschen endlich begreifen, welche Macht sie haben, wird sich alles ändern. Im Moment reden die Umweltschützer nur mit den Umweltschützern. Sie sprechen eine Sprache, die niemand versteht. Und dann redet die Regierung mit der Regierung, sie können nichts erreichen. Man muss die Menschen einbeziehen. Denken Sie an die Bürgerrechtsbewegung in Amerika. Sie wurde von Menschen ins Leben gerufen, die marschierten und protestierten, sie gingen hinaus und nahmen die Dinge selbst in die Hand. Und warum? Weil Washington das Problem nicht lösen konnte, aber das Volk hat es dann getan. Und dann folgten die Gesetze, genau wie bei der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika. Die Diskriminierung wurde von den Menschen gelöst, nicht von Pretoria, der Hauptstadt Südafrikas. Das Gleiche gilt für die indische Unabhängigkeitsbewegung, für die Frauenbewegung. Alle großen Veränderungen auf der Welt wurden von den Menschen gemacht. Wer hat die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht? Es waren die Menschen. Die Politiker machten einen Fototermin. Und das ist es, was ich mir für die Umweltbewegung wünsche: dass sich die Menschen engagieren. Wir können sie nur einbinden, wenn sie verstehen, worüber wir reden.
Deshalb sage ich: Lasst uns richtig kommunizieren. Dann können wir es wirklich schaffen.
Sie haben die digitalen Kommunikationskanäle schneller für sich entdeckt als andere, haben über 22 Millionen Follower allein bei Instagram. Ist das eine neue Macht?
Ich habe immer jede Gelegenheit genutzt, um mit den Menschen zu kommunizieren. Denn wenn man den Leuten nicht vermittelt, was man zu bieten hat, dann hat man nichts. Man kann das beste Produkt der Welt haben, aber wenn niemand davon weiß, wirst du keinen einzigen Artikel davon verkaufen.
Vor zehn Jahren haben Sie Ihre politische Karriere als Gouverneur beendet. Es wirkt so, als hätten Sie heute ohne ein politisches Amt mehr Einfluss.
Man hat eine gewisse Macht, wenn man im Office ist, gewisse Befugnisse, wenn man Gouverneur ist. Und dann gibt es eine gewisse Macht, die du dabei nicht hast – die ich jetzt aber habe. Weil ich jetzt ganz offen mit Republikanern und Demokraten reden kann, und sie erzählen mir alles, weil sie wissen, dass sie mir vertrauen können und ich keine politischen Ankündigungen aus unseren Treffen mache. Das ist ein echter Vorteil, denn jetzt kann ich mit allen Parteien arbeiten und sie über unser Schwarzenegger-Institut an der University of Southern California zusammenbringen. Das ist fantastisch. Ob es um Fragen der Obdachlosigkeit geht, der Gesundheitsfürsorge, der Infrastruktur, der Einwanderung oder um das Virus. Wir bringen Demokraten und Republikaner, die klügsten Köpfe auf lokaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene, zusammen, um diese wichtigen Themen zu diskutieren.
Sie haben Österreich vor 53 Jahre verlassen und leben seitdem in Los Angeles. Karl Lagerfeld ist nach Paris ausgewandert. Aber je älter er wurde, desto wichtiger wurde ihm die norddeutsche Heimat. Ist das bei Ihnen auch so?
Mir ist recht früh klargeworden, dass ich nicht von einem neuen Land adoptiert werden wollte und das alte Land hinter mir lasse. Mir ging es immer eher um eine Ergänzung als um Ersatz. Ich habe Österreich immer als ein tolles Land betrachtet und schätze sehr, was ich dort gelernt habe. Jedoch konnte meine Heimat mir als Bodybuilding-Champion wenig bieten. Hätte ich Musiker oder Maler werden wollen, wäre das anders gewesen. Ich wusste, ich muss nach Amerika gehen. Ich fing ja mit den Filmen an, und dafür war Hollywood natürlich ideal. Das bedeutet nicht, dass ich Österreich nicht mag, obwohl ich bestimmte Dinge gehasst habe. Ich erinnere mich an ein Klassik-Konzert in Graz mit meinem Bruder, das war ganz und gar nicht mein Ding, und ich dachte nur: „Wie komm ich hier weg?“ Ich wollte Elvis sehen oder die Beatles. Heute wiederum freue ich mich, wenn ich jemanden mit nach Salzburg zum Festival nehmen kann. Mit der Zeit wird man reifer, man sucht andere Formen von Anregung und kann Dinge besser wertschätzen: das Skifahren, die netten Leute, das Handwerk. Das österreichische Handwerk ist so toll.
Es gibt ja durchaus eine neue Wertschätzung für lokale Produkte.
Natürlich, aber man muss die Existenz von kleinen Betrieben wirtschaftlich ermöglichen. Ich habe in Österreich einen handgestrickten Pullover mit Zopfmuster gesucht. Ich habe natürlich welche von Ralph Lauren, aber ich wollte einen handgestrickten. Ich konnte keinen einzigen Laden finden! Meine Mutter hat solche gestrickt und sie dann verkauft. Das war eine Möglichkeit, sich was extra zu verdienen. Diese Art Läden sind weg. Immerhin habe ich Meindl entdeckt: fantastisch! Jedes Land sollte seine eigene Identität haben und seine eigenen Produkte produzieren. Wir brauchen Individualität. Die Manufaktur Frauenschuh mag ich auch sehr. Wissen Sie, dank wem ich diese Marke kenne? Durch Christina, meine Tochter. Sie sagte: „Wenn du nach Kitzbühel fährst, musst du unbedingt zu Frauenschuh.“
Bei unserem Shooting heute mit Ihrer Tochter Christina konnte man eine innige Vater-Tochter-Beziehung erleben. Sind Sie ein guter Vater?
Ich weiß nicht, ob ich perfekt war. Aber ich war gut.
Als Elternteil kann man nie perfekt sein.
Ich war streng. Es ging diszipliniert zu bei uns, ich wollte, dass die Kinder nicht verwöhnt aufwachsen. Es gab eine Tendenz dazu, weil meine Frau aufgewachsen ist mit Personal im Haus und immer jemandem, der aufgeräumt und Dinge erledigt hat. Ich war in Sorge, dass die Kinder denken, sie müssten nichts tun, das wollte ich nicht. Bei den Kennedys war das so, aber ich bin kein Fan davon, und so haben wir einen Kompromiss gefunden zwischen dem, was Maria gut fand, und dem, was ich mochte. Es war klar, dass die Dienstmädchen nicht die Betten der Kinder machten. Jeder sollte seine Bettwäsche selbst waschen – wie, habe ich ihnen gezeigt. Wir hatten zwei Maschinen, eine für uns und eine für die Kinder, sie stellten sie an, bevor sie zur Schule gingen. Und ich warnte sie: „Wenn ich jemand beim Mogeln erwische, schmeiße ich die Matratze aus dem Fenster!“ Das habe ich dann auch gemacht. Und so mussten sie die Matratzen unter Umständen wieder hochholen, um ihr Bett zu machen – in dieser Beziehung war ich ziemlich streng. Meine Tochter Katherine war vor zwei Monaten hier, und sie sagte, sie tue dasselbe jetzt mit dem achtjährigen Sohn ihres Partners Chris Pratt, dass sie seine Schuhe ins Feuer geschmissen habe. So wie ich es nach zweimaliger Verwarnung gemacht hatte, als sie die wieder nicht weggeräumt hatten. Damals habe ich sie und ihre Geschwister zum Weinen gebracht. Für mich ist es das größte Kompliment, wenn sich die Kinder im Nachhinein für die Disziplin bedanken.
Apropos Disziplin. Wir haben mit dem Shooting heute sehr früh begonnen, gleich nach Sonnenaufgang in der Wüste. Sie waren nicht nur pünktlich am Set, sondern sogar vor der Zeit. Andere Superstars lassen gern auf sich warten …
Das ist Arbeitsethik. Wenn du zur Arbeit gehst, dann gehst du zur Arbeit. Ich tue alles, um pünktlich da zu sein. Und ich gebe alles, um meine Arbeit perfekt zu machen, das ist für mich auch eine Frage der Haltung: Wenn schon, denn schon. Ich liebe das. Sonst lass es gleich sein. Mach keine halben Sachen. Gut, ich kann Golf halbherzig spielen, ich bin ein miserabler Golfspieler. Aber es war auch nie mein Ziel, ein guter Golfspieler zu sein. Aber bei den meisten Sachen, die ich mache, gehe ich aufs Ganze. Ob es in meinem politischen Leben war oder als Bodybuilder, im Showbiz, im Business oder mit meiner Familie. „Work hard, play hard. That’s it.“
War das schon immer so?
Es ist meine Erziehung. Bei uns in Österreich in Thal, wo ich aufgewachsen bin, war es sehr streng. Da habe ich das gelernt. Mein Vater hat immer gesagt: Du musst dich zu etwas verpflichten und es dann machen. Sei nützlich. Ich habe das ernst genommen. Ich hatte den Hunger, ein besserer Bodybuilder zu sein. Härter zu trainieren und länger. Mehr zu wissen über Ernährung und mein Posing. Das Gleiche war es in der Politik als Gouverneur, um den Staat besser zu machen. Ich habe gemerkt, dass ich nicht alles wusste. So musste ich wirklich schnell lernen. Das Kapitol in Sacramento wurde für mich zur Universität.
Mein Kopf ist wie ein Schwamm. Ich liebe es zu lernen, Wissen zu generieren. Es ist Teil der Philosophie, hungrig zu bleiben. Ich habe immer versucht, mich zu verbessern – egal, was es war oder ist.
Die Pandemie hat viele Menschen verändert. Sie tun sich schwer damit. Sie holen Ihr Pony und Ihren Esel in die Küche und haben Spaß.
Ich habe realisiert, dass man nicht durch sein Leben gehen kann und alles ist perfekt, das ist nicht die Realität. Die Sonne scheint nicht jeden Tag, manchmal regnet es. Manchmal ist es stürmisch. Und so ist es auch im Leben. Es gibt Tage, die sind fantastisch. Wie heute. Wir haben toll zusammen gearbeitet. Ihr bringt diese wundervolle Mode aus Italien und Frankreich mit und stylt mich. Das ist also ein großartiger Tag, und wir haben eine Menge erreicht. Aber morgen kann es schon wieder anders aussehen. Ich habe Zeiten erlebt, in denen ich auf dem Höhepunkt war, alles war perfekt. Und dann sagte der Arzt plötzlich: „Sie brauchen eine Herzoperation. Sie brauchen eine Operation am offenen Herzen“ – und ich musste damit klarkommen. Genauso ist es, wenn ein Erdbeben Los Angeles erschüttert. Dann müssen wir alles wieder aufbauen. Wir müssen uns um die Verletzten kümmern. Es wird Tote geben, Familien, denen man helfen muss. Es ist nicht immer perfekt. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir in der Lage sind, uns anzupassen, und zwar sehr schnell. Wir waren verwöhnt über die letzten Jahre mit Wirtschaftswachstum, mit Jobwachstum. Häuser, die einmal hunderttausend Dollar kosteten, sind jetzt zweihunderttausend Dollar wert. Und dann werden wir plötzlich von einer Pandemie heimgesucht. Jetzt ist alles ein bisschen anders. Für manche Menschen ist es nicht viel anders, für andere hat sich alles verändert, wenn sie ihren Arbeitsplatz oder ihr Geschäft verlieren. Das ist sehr dramatisch, furchtbar und traurig, aber man muss sich darauf einstellen. Leg dir warme Kleidung zurück, falls es friert. Hab einen Anorak für den Fall, dass es regnet. Leg etwas Geld beiseite, lebe nicht nur auf Kredit. Lege immer etwas zurück, wie es die Generationen vor uns taten, wie meine Mutter und Großmutter es machten. Du musst dir Geld für die schlechten Tage zur Seite legen, einen Regentag-Fonds sozusagen. Wir konnten eine paar Filme nicht machen. Aber was soll’s, wenn das das Schlimmste ist! Solange ich auf dieser Seite des Grases bin, bin ich glücklich. Nichts kann mich wirklich aus der Bahn werfen.
Aber wie gehen Sie damit um, wenn es Sie richtig trifft? Wie haben Sie sich nach der Herz-OP wieder hochgekämpft?
Na ja, man ist niedergeschlagen, aber das ist normal. Die Medikamente machen einen fertig, die Narkose macht einen fertig. Ich habe jetzt vier Herzoperationen hinter mir. Und man muss akzeptieren: Ich habe das von meiner Familie mütterlicherseits geerbt. Sie hatte Herzklappenprobleme, ihre Mutter hatte ein Herzklappenproblem, und deren Mutter hatte es auch. Es liegt also in der Familie. Ich habe das Glück, dass ich aufgewachsen bin mit einem Willen zum Erfolg. Ich bin froh, dass ich damit aufgewachsen bin, dass man arbeiten gehen muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist eine meiner Regeln für den Erfolg: keine Abkürzungen gehen. Der Tag hat 24 Stunden. Also, was macht man aus diesen 24 Stunden? Ich habe meine Mutter sehr hart arbeiten sehen. Ich sah, wie mein Vater sehr hart arbeitete. Ich sah die Nachbarn sehr hart arbeiteten, um den Bauernhof auf der anderen Seite zu retten. So bin ich aufgewachsen. Und daran bin ich gewöhnt. Deshalb bin ich froh, dass ich eine gute Ausbildung bekommen habe. Ich bin froh, dass meine Eltern mein Interesse geweckt haben, hungrig zu sein und immer nach besseren Dingen zu suchen. Es gibt so viele Dinge, die ich von meiner Erziehung mitgebracht habe: dass ich einen Herzfehler habe – davon werde ich mich nicht aus der Bahn werfen lassen. Ich stamme aus einer großartigen, starken Familie, auch wenn wir Probleme hatten. Mein Vater war ein Alkoholiker und all diese Dinge, und es gab Gewalt. Aber wir sind trotzdem stark aufgewachsen. Und das hat mir für den Rest meines Lebens geholfen. Ich freue mich, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dass ich mit 74 Jahren immer noch neugierig bin, dass ich immer noch hungrig bin, dass ich immer noch weitermachen und mehr tun will.