Alexa Chung x Barbour

„Und dann: alle umarmen“

Vom It-Girl zur Verfechterin des lässigen Brit-Chics: Alexa Chung hat der Traditionsmarke Barbour eine Verjüngungskur verpasst. Und freut sich auf die Rückkehr zur beschwipsten Geselligkeit.

Denkt man an Alexa Chung, dann sieht man vor dem inneren Auge Jeans-Shorts, T-Shirt, eine gewachste Regenjacke und Gummistiefel, in denen ihre zierlichen, langen Beine stecken. Meist steht sie mit dunkelbraunem Long-Bob auf einem matschigen Feld, irgendwo in der englischen Provinz, bei einem der großen Festivals. Die 37-jährige Britin mit chinesischen Wurzeln war das It-Girl der Festivalszene der 2010er-Jahre, und gäbe es keine Pandemie, wäre sie das womöglich immer noch. Oder eben nicht. Das Konzept It-Girl klingt heute staubig, Chung ist mittlerweile Model, Moderatorin, Influencerin mit mehr als vier Millionen Followern und Chefin ihrer 2017 gegründeten Modemarke. Mit dieser geht sie ständig neue Kollaborationen ein – stets auf der Suche nach einem Partner, dem sie ihren lässigen, leicht verwuschelten Brit-Chic-Stil verpassen kann. Nun präsentiert sie ihre neue Kollektion für das familiengeführte Traditionsunternehmen Barbour. Es ist bereits ihre vierte. „Oh, really?“, sagt sie und schmunzelt.

ICON: Mrs. Chung, wo erwische ich Sie?

Chung: Zu Hause, außerhalb Londons auf dem Land, ich schaue aus dem Fenster und sehe: Schneeregen. Eigentlich ist eine Barbour-Jacke die einzige Option für Wetter dieser Art. Ich habe meinem Freund meine Jacke heute Morgen ausgeliehen. Er wollte sich hineinquetschen. Auf jeden Fall ist es wohl das perfekte Promotion-Wetter.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste?

Ich besitze schon so lange eine, dass ich mich nicht mal erinnern kann, wann ich sie überhaupt bekommen habe. Auf jeden Fall weiß ich, dass ich sie immer über meiner Schuluniform getragen habe und überlegte, wie viele Schokoriegel ich in den Taschen verstecken kann.

Für Briten scheint sie wie eine Uniform zum Leben dazuzugehören. Auch bei den Royals, schließlich ist die Marke königlicher Hoflieferant.

Sie ist hier auf jeden Fall sehr verbreitet, besonders auf dem Land, wo ich auch aufgewachsen bin. Wahrscheinlich besitzt jede britische Familie mindestens eine dieser Jacken.

Wie viele haben Sie selbst?

Ich habe neulich erst darüber nachgedacht, weil ich natürlich das Glück habe, dass ich in jeder Saison eine neue bestellen kann. Ich besitze eine hellblaue Pit, ich habe eine mit aufgesetzten Taschen, eine pinkfarbene, eine weiße, ich besitze noch das Original, eine braune habe ich mir mal in der Fabrik gekauft. Ich schätze, insgesamt komme ich auf zehn.

Bei 150 Regentagen im Jahr in Großbritannien ist das natürlich praktisch.

Man kann hier nicht nur eine besitzen! Jede hat ihren Zweck, je nach Jahreszeit. Meine rosa Jacke könnte ich im Moment nicht tragen.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Das muss 2019 gewesen sein. Zwei Jahre zuvor hatte ich meine eigene Marke gegründet und ständig gegrübelt, was wir mal mit Barbour machen können. Ich hatte bereits mit anderen Marken in anderen Segmenten kooperiert, doch wenn es um Funktionalität im Bereich der Oberbekleidung geht, gibt es nichts Besseres. Also habe ich mich bei ihnen gemeldet. Ich wollte schon immer mein eigenes Modell. Für mich ist Barbour wie ein Familienmitglied.

Die etwas spießige Cousine?

In gewisser Weise ja. Aber in meinen Zwanzigern, ich war gerade nach London-Shoreditch gezogen, erlebten Wachsjacken auf einmal einen Boom. Alle Hipster trugen plötzlich wieder Barbour. Und ich habe meine Jacke dann auch wieder viel getragen. Sie ist ein Klassiker, aber zu einer Zeit, als ich auf Festivals und Konzerte ging und einen eher rockigen Lebensstil hatte, war es ziemlich abwegig, etwas zu tragen, was so classy war. Mein Ziel war und ist es, die klassische britische Identität mit einem modernen und rock’n‘rolligen Lebensstil zu verbinden.

Ist Ihnen das bei Barbour gelungen?

Vielleicht. Das können Sie besser beurteilen.

Seit 1894 werden die Jacken in South Shields gefertigt, pro Jahr bis zu 100.000 Stück. Wie oft sind Sie vor Ort und wie läuft der Designprozess ab?

Im Moment können wir leider wegen der Pandemie nicht so viel zusammen sein. Aber früher sind wir oft hin und hergereist. Ab Kings Cross geht’s mit dem Zug nach Newcastle. Etwas außerhalb liegt das Headquarter, in dem auch das Designstudio untergebracht ist. Und natürlich das Archiv der Firma, die in fünfter Generation geführt wird. Sowie die Reparaturabteilung. Es ist immer gut nach South Shields zu kommen. Hier sitzt das geballte Know-how, und das ist sehr inspirierend.

Barbour by ALEXACHUNG Collection, Spring Summer 2021

Ihre neue Kollektion ist vom Reiten inspiriert. Ihr Sport?

Ja. Ausgangspunkt war eine Jacke aus dem Jahr 1910. Sie ist mein absoluter Favorit – eine doppelreihige Jacke namens Uncle Harry’s Jacket, eines der ältesten Stücke im Archiv von Barbour. Ich war völlig angefixt, Taschen an jedem verfügbaren Platz anzubringen, wo wir mit den Proportionen und der Platzierung spielen konnten. Dort, wo früher die Zuckerstückchen untergebracht wurden, ist jetzt Platz für Lippenstift. Und ich habe sie in „Maud“ umgetauft.

Gibt es etwas, was Sie vorschlagen, was Barbour normalerweise nicht tun würde?

Das ist der Sinn der Zusammenarbeit, denke ich. Es geht darum, dass wir unsere eigene Note einbringen. Barbours Anspruch ist, immer das Beste zu produzieren. Man kann also zum Beispiel nicht zu viel an der Mechanik herumpfuschen. Doch wir können auch mal verrückte Sachen machen, mit Farben experimentieren.

Sie haben weder Mode noch Modedesign studiert, waren am King’s College eingeschrieben, verfolgten lieber ihre Modelkarriere.

Nun, ich denke, man muss nicht zwingend Design studieren, um Creative Director zu werden, aber man muss es wahrscheinlich, um ein echter Designer zu werden. Wissen Sie, ich bin sehr gut darin, die Richtung für die kommenden Saisons vorzugeben, spüre Trends. Ich lerne jeden Tag dazu, aber in Bezug auf einen Großteil der Bekleidungsproduktion und -entwicklung geht es darum, wirklich zu wissen, wie man Fehler behebt, also arbeiten wir mit einem großartigen Team zusammen.

Woher kommt Ihr Mode-Instinkt?

Das weiß ich auch nicht. In unserer Familie sind alle im Design tätig, keiner ist Arzt, also ist es wohl eine Art Familienjob. Mein Vater ist Designer, meine Schwester ist Verpackungsdesignerin, und mein Bruder ist im Marketing tätig. Mein Job repräsentiert quasi all ihre Jobs in einem. Vielleicht gibt es die Chung-Design-DNA (lacht).

Ich erinnere noch meinen Besuch in South Shields. In der großen Reparaturabteilung werden jährlich Tausende von Jacken aus aller Welt zur Restauration eingeschickt, aufgearbeitet, repariert und wieder an den Inhaber geschickt. Sind Traditionsmarken die wahren Nachhaltigkeitspioniere?

Unbedingt. Die Modeindustrie denkt ständig über die Produktion nach und darüber, wie sie die Lebensdauer der Produkte, die ihre Kunden kaufen, verlängern kann – bei Barbour ist das Teil der Geschichte. Eine großartige Idee, und es spricht tatsächlich die Romantik von Kleidung an, die oft geliebt werden kann. Die Idee, etwas zu besitzen, darin zu leben und Erinnerungen zu sammeln, es sogar zu vererben, und anstatt es irgendwann zu ersetzen oder loszuwerden, es reparieren und wieder aufarbeiten zu lassen, das gefällt mir.

Die Pandemie hat unser aller Leben entschleunigt und verändert.  Sie waren zuvor ständig auf Partys, Fashion Weeks und Festivals auf der ganzen Welt unterwegs. Fehlt ihnen das?

Ja, es war ein hartes Jahr. Ich habe zu Beginn auch schon mal auf dem Feld geweint. Doch mein Freund und ich sind dankbar, dass wir in einer komfortablen Situation sind, wir haben keine Kinder, arbeiten von zu Hause – und doch ist mir gleichzeitig langweilig. Ich bin froh über meine Arbeit, sonst würde ich verrückt werden, wenn ich nichts hätte, auf das ich mich konzentrieren könnte. Ich hatte wirklich die ganze Zeit Spaß, ein ziemlich glamouröses Leben im Nachhinein betrachtet. Und ja, ich war glücklich damit. Hoffentlich ist es noch nicht ganz vorbei. Doch es war ein guter Moment, um mal innezuhalten. Nur die Idee einen Dry January einzulegen, war eine doofe Idee. Absolut langweilig. (lacht).

Was werden Sie als erstes nach dem Lockdown machen?

Ich werde ganz verrückte Klamotten anziehen, High Heels und ganz viel Make-up tragen. Dann gehts in den Pub. Normalerweise war ich immer genervt von den vielen Menschen, die einen ständig anrempeln. Aber ich muss zugeben, ich vermisse es. Und ich muss unbedingt singen, vielleicht Karaoke – und dann: alle umarmen!

Barbour als Symbol

Wetterfest und mit viel Understatement: Für das britische Königshaus sind Barbourjacken die perfekte Alltags- und Freizeitkleidung, zum Beispiel für die heiß geliebten, verregneten Sommer im schottischen Balmoral Castle. Von praktisch jedem Mitglied der Royal Family gibt es Fotos in dieser Mutter aller Funktionsjacken. Auch der Schauspieler Daniel Craig ließ sich bei den Dreharbeiten zum James-Bond-Film „Skyfall“ in einer Wachsjacke fotografieren, zur Unterstreichung seiner Kernigkeit mit hochgeschlagenem Kragen. In dem Debütroman „Faserland“ des Schweizer Schriftstellers Christian Kracht tragen die Kreise, von denen er erzählt, bei ihren Champagnersausen auf Sylt dieses Wohlstandssymbol. „Abgewetzte Barbourjacken, das führt zu nichts“, erklärt der Erzähler und zündet seine später auf dem Flughafen an. An ihrer Beliebtheit hat das merkwürdigerweise kaum etwas geändert.

INTERVIEW
Caroline Börger