#Ingaontour

Haute Lebensfreude

What a week, wie wir in Norddeutschland sagen. Wobei das nicht stimmt und es auch fast zwei Wochen waren, aber so genau muss man es heute wohl nicht nehmen, wobei ich keinesfalls in die Politik möchte. Wollte ich noch nie und nachdem ich jetzt eine Jet Set Tour hinter mir habe, erst recht nicht. Das gute Leben ist einfach zu unterhaltsam, aber eben auch merkwürdig suspekt, allein die Vorstellung, einen Amtsträger mit eiskaltem Champagner in teuer ausgestatteter Runde bei dem Dinner von Juwelier und Festspiel-Sponsor Chopard am Bootssteg vom „Martinez“-Hotel in Cannes anzutreffen, dürfte dessen Karriereplanung ziemlich beeinträchtigen. Zumindest aus deutscher Sicht. Der Bootssteg des Hotels an der Croisette ist übrigens so lang wie die Gleise im Berliner Hauptbahnhof bis zum nicht mehr überdachten Teil für die 1. Klasse Waggons, dementsprechend beeindruckend war die Tafel mit dem durchgängigen Hortensienmittelstreifen.

Meine Tour begann bei der „Cruise“ von Max Mara in Ischia, ging (zügig) weiter über ein Projekt in Rimini, über die Pitti Uomo und einen Pit Stopp am Gardasee nach Paris zur Show von Virgil Abloh’s Off-White am Sonntagnachmittag, die ein Happening im 80er Jahre Stil mit Livemusik und Grove (und ziemlich coolen Klamotten auch) war. Das (gelungene) Debüt von Pieter Mulier als Nachfolger von Azzedine Alaïa hab‘ ich verpasst, war dafür in netter Runde Essen beim Chinesen „Diep“, draußen mit Blick auf Vorfahrt und Bürgersteig, was durchaus Netflix-Serienpotenzial hat. Was mit Clans und Celebrities und so. Wobei das Essen auch köstlich ist.

Links Impressionen vom Chopard Dinner, in der Mitte die Max Mara Cruise Show, rechts Thebe Magugu auf der Pitti Uomo

Am Montag dann eröffnete Dior im Musee Rodin gewohnt begehrenswert den Reigen der realen Haute Couture Schauen, allein das Setting mit 350 Meter handgestickter Kunstlandschaft nach Eva Jospin an den Wänden, ein weiteres (Förder-)Projekt von Kreativchefin Maria Grazia Chiuri mit der Chanakya Schule in Indien, die sie wiederum durch die Künstlerin Judy Chicago kennengelernt hat. Haute Global. Und ein bisschen Haute Feminismus.

Apropos, es gibt sie auch noch, die Frauen, die mehr als eine Nacht für ein Haute Couture Kleid oder so ein Wahnsinns-Collier von Chopard geben würden. Mag die Welt abrupt ausgebremst worden sein in den letzten eineinhalb Jahren, jetzt, wo das Leben, und womöglich das Luxusleben viel schneller als das Beamtenleben im Homeoffice wieder an Fahrt aufnimmt, gibt es viel zu beobachten. Dazu gehört auch, dass nicht alles, was heftig in sozialen Medien diskutiert wird und abgeschafft werden soll, sich mit dem deckt, was Menschen heiter stimmt. Die Lebensfreude tanzt und lockt wieder. Nicht nur bei den Happy Few.

Giorgio Armani, Katy Perry mit Inga Griese, Architektur bei den Shows von Dior und Chanel

Und dann gibt es einen Habitus, der schlagartig alt und vorbei ist. Die hierarchischen Spielregeln der Modewelt, in der sich manche Spielfiguren absurd wichtig nehmen, gehören dazu. Eine Anna Wintour ist wahrscheinlich die Mächtigste im Business, und zugleich erscheint sie mit Betonfrisur, Sonnenbrille, dem Extraauftritt wie eine Karrikatur. Allemal angesichts der Radikalität, mit der Condé Nast, dessen Gallionsfigur sie ist, grad den europäischen Vogue-Ausgaben die eigene Identität nimmt und sie dem (brillianten) britischen Chefredakteur Edward Enninful unterordnet. Quasi ein „Content“ für alle soll es richten, das Gegenteil also von Diversity, dem doch sehr strapazierten amerikanischen Zauberwort. Aber jeder ist seines Glückes Schmied beziehungsweise Machtinhaber.

Viel wichtiger ist, dass die Amerikaner wieder in Paris sind. Dass bei Chanel eine so zauberhafte Braut die Stufen vom Palais Galliera in den Innenhof schritt, dass es so viele feine Arbeiten zu sehen gab, tatsächlich und virtuell. Dass Katy Perry beim Dinner in der Louis Vuitton Foundation (Architekt Frank Gehry hat jetzt einen Parfum-Flakon entworfen) so gänsehautmäßig gesungen hat.

Und dann war da dieser Moment, als Giorgio Armani in Dunkelblau aus dem Türrahmen in der Italienischen Botschaft trat, den Laufsteg, der durch die prunkvollen Räumlichkeiten mäanderte, nahm, sich verbeugte, lächelte. Etwas bleibt, etwas geht weiter. Aber Signore Armani so verfasst zu sehen, war der größte Zauber.

 

Inga Griese