Eine Kolumne von Inga Griese

Kragen hoch und durch

Da ist es wieder, das Lockdown-Wetter. Jedenfalls grad in Berlin und Norddeutschland. Während sich das erste Wochenende noch in den Blues hinein regnete, ist es fast zeitgleich mit den erneuten Restriktionen heiter statt wolkig. Im Frühjahr war es genauso, wochenlang herrschte überraschend gutes Spaziergehwetter. Als wolle uns jemand bei Laune halten. In diesem Herbst werden wir es mehr denn je brauchen, November ist ja in unseren Breitengraden generell nicht gerade der Monat der großen Zuversicht und Energie. Mir gefällt die Idee, dass Petrus oder wer auch immer dafür zuständig ist, ab und zu diese Signale sendet, die wie ein Geländer sind, an dem wir uns durch die indifferente Zeit hangeln können. Man wird langsam auch ganz wuschig. Wobei das immer noch ein Luxusgefühl denen gegenüber ist, die allen Grund zur Verzweiflung haben.

Während führende Politiker gern markig von finanzieller „Bazooka“ oder „klotzen statt kleckern“ sprechen, ohne dann aber darauf zu achten, ob nach hinten raus eigentlich ausgezahlt wird, was vorn versprochen wird, gibt es viele große und kleine Initiativen, die optimistisch stimmen, dass es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt besser bestellt ist, als so manche Facebook-Chats fürchten lassen. Eine derjenigen, die einen vorbildlichen Beitrag leistet, ist die Designerin Leyla Piedayesh. Die Gründerin und Chefin von Lala Berlin. Sie hat, wie so viele und schon allein, um irgendetwas Sinnvolles zu tun, im ersten Lockdown begonnen, mit ihrem Team Masken zu nähen. Mit dem Verkauf hat sie innerhalb von sechs Monaten 100.000 Euro eingenommen. Den gesamten Erlös spendet Lala Berlin lokalen NGOs, die Kindern, Jugendlichen und Frauen, die häuslicher Gewalt und Armut ausgesetzt sind, direkt helfen.

„Als Mutter und Unternehmerin bedeutet mir das Ergebnis unserer Spendenaktion immens viel. Es ist mir besonders wichtig mit aller Kraft in die Hilfe an Kinder und Jugendliche zu investieren, denn deren Gesundheit und positive Einstellung ebnet den Weg unserer Zukunft!“ Love. Peace. Leyla

Häusliche Gewalt sei ein anhaltendes gesellschaftliches Problem, das besonders in der Corona-Pandemie wachse und als Thema zu wenig Beachtung finde. Piedayesh, die gern und glaubhaft mit „Love. Peace. Leyla“ signiert, betonte: „Als Frauen-geführtes Unternehmen mit einem großen Bestreben nach sozialer Gerechtigkeit, möchten wir genau diesem Missstand entgegenwirken und nach unseren Möglichkeiten und Mitteln helfen. Wichtig hierbei war uns, keinen Profit aus Covid-19 und der Maskenpflicht zu schlagen.“ Und kleinen Organisationen zu helfen. „Togetherness“ ist auch so ein Lieblingswort der energischen Designerin. Es ist kein Gerede.

Ich hadere etwas mit der Vorstellung, Schutzmasken als modisches Accessoire zu adeln, trage deswegen immer die aus dem Zehnerpack. Doch wenn dabei so viel Gutes rauskommt, dann darf es gern auch zum Saisonteil werden. Und für manche auch zur Geschäftsidee. Kollegin Caro Börger berichtete gerade von einem Abend beim angesagten Frankfurter Westend-Italiener „Scuderia“ (vorletzte Woche!). Eine Frau schritt langsam durch die schummerigen Räume, im Gesicht eine schwarze Maske voller LED-Leuchten und verteilte erfolgreich ihre Visitenkarten. Früher war mehr Lametta, diesen Winter braucht es funkelnde Ideen. Alles besser als nur Warten.

Eine interessante Alternative kam gerade auf den Redaktionstisch. Ein sogenanntes „Protectionshirt“ von Riani. Schwarze Viskose mit überlangen Ärmeln und einem Rollkragen mit Gummizug. Ärmel und Kragen lassen sich bei Bedarf einfach über Nase und Hände ausfahren. Ganz praktisch. Und wenn die Pandemie dann im nächsten Frühjahr hoffentlich unter Kontrolle ist, könnte das Modell auch an Hobbygärtnerinnen verkauft werden. Bislang trug ich beim Knipsen der blühenden Kiefern assoziationslos die Einwegmasken gegen den Pollenflug – diese praktische Arglosigkeit ist wohl erst einmal vorbei.

 

Der Text ist ursprünglich in WELT AM SAMSTAG erschienen.

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Inga Griese