Ein Blick und man hat gute Laune: Alex Proba wurde mit ihren abstrakten Farbkompositionen auf Instagram bekannt und zur gefragten Designerin. Dabei sollte sie eigentlich Zahnärztin werden.
IM FARBRAUSCH
Das ist der schönste Moment: Wenn das Wasser kommt. Wenn es das Becken füllt und allmählich die farbigen großen Kreise und Halbkreise, die Flecken, Tupfen, stilisierten Blätter und Schlangenlinien bedeckt, mit denen Alex Proba Wände und Boden gestaltete. In Palm Springs hat die Designerin einen privaten Pool ausgemalt, nur mit dem Pinsel, ohne Schablone und Abklebeband, eine Woche lang, täglich von acht bis acht, gekrümmt und kniend bei sengender Hitze.
„Es ist ziemlich schmerzhaft“, erklärt sie und lächelt. „Aber Pools sind das Coolste, was ich bisher gemacht habe.“ Denn wenn alles fertig ist, sieht das Bassin „schon leer unglaublich aus“: Eine leuchtende Raumkomposition aus Rosa, Beige und Orange, aus Curry, Violett, Hellblau, Gelbgrün und Petrol. Das Wasser aber verändert die Farben und lässt die Formen schweben. „Das schafft eine ganz neue Dimension“, begeistert sie sich, und es klingt wie eine Belohnung. Nicht nur für die harte Arbeit, sondern dafür, dass sie ihren eigenen Weg gegangen ist.
Vision und Wirklichkeit: Alex Proba entwirft Pools im Netz – und malt echte von Hand mit chlor- und salzwasserfesten Farben aus
Vor acht Jahren gründete Alex Proba ihr Büro „Studio Proba“ in Brooklyn und hat seither Poster, Wände, Teppiche, Tische, Kissen und Kleidung mit ihren dekorativen Mustern gestaltet, die ein bisschen so aussehen, als wären Matisse’ Scherenschnitte in eine Bonbonniere gefallen. Sie sind bunt, ohne zu schreien, die Farben oft etwas gebrochen und überraschend kombiniert, die Formen spielerisch, aber nie verspielt. Es reicht ein Blick, und man hat umgehend gute Laune. Dahinter steckt eine gestalterische Sicherheit, die sich nicht lernen lässt.
„Andere sind gut in Mathe. Ich bin gut in Farben und Formen“, hat sie mal gesagt, und dass ihre Arbeiten meist aus dem Bauch heraus in einem Trial-und-Error-Verfahren entstehen. Sie entwirft am Computer, so lässt sich bei Wandmalereien und Pools auch die räumliche Wirkung simulieren – und sogar, wie sich die Farben im Wasser verändern. Die Umsetzung erfolgt stets von Hand.
Das Ergebnis überzeugt Auftraggeber in den USA und weltweit. Ihre Wandgemälde sind in Hotels, Restaurants und Läden zu sehen und in Firmengebäuden von Google und Dropbox. Sie hat eine eigene kleine Textilkollektion aufgebaut, für die Mailänder Edelteppichmarke cc-tapis entworfen und mit dem belgischen Designbüro Nortstudio Beistelltische. Bald kommen Fliesen auf den Markt, der dritte Pool ist fertig, im Herbst folgen zwei in L.A. und Mexiko, und ihr Instagram-Account hat 120.000 Follower, eine Riesengröße im Designbereich.
Alex Proba
„Mein Vater sah mich als Hunger leidende Künstlerin, abhängig von einem künftigen Ehemann oder staatlicher Unterstützung.“ Heute hält ihre Mutter ihre Jugendwerke in Öl und Acryl in Ehren, es seien ja Originale. „Sie ist überzeugt, dass die mal sehr viel wert sein werden.“
Es klingt wie eine echte New Yorker Erfolgsgeschichte. Dabei kommt Alex Proba aus Lüdenscheid bei Wuppertal und sollte eigentlich Zahnärztin werden. „In meiner Familie gibt es fast nur Naturwissenschaftler“, sagt sie. Mutter, Vater, der ältere Bruder: alle Mediziner. Mitte der 1980er-Jahre waren sie aus Polen nach Deutschland gekommen, kurz darauf wurde Alex geboren. Die Eltern bauten ihre Praxen auf, und wenn sie mal Zeit hatten, wurde gereist, „aber Museen, Kunst – das war nie ein Thema“, erinnert sie sich. Erst als sie mit 15 als Austauschschülerin bei einer kulturversessenen Gastfamilie in Ohio lebte, entdeckte sie ihre eigene Neigung zum Malen und Gestalten – und auch, dass das sogar ein Beruf sein kann. Ihre Eltern freilich sahen nur ein Hobby darin, und Alex Proba erlaubte sich lange auch nicht mehr. Doch nach dem Abitur, sie hatte den Studienplatz für Zahnmedizin sicher, bewarb sie sich heimlich an der Akademie für Mode und Design (AMD) in Hamburg.
Die Zusage kam ihr wie eine Befreiung vor und war ein Schock für den Vater. „Er sah mich als Hunger leidende Künstlerin, abhängig von einem künftigen Ehemann oder staatlicher Unterstützung.“ Was sie einerseits verstand – dafür waren die Eltern schließlich nicht in ein anderes Land gegangen – und andererseits als Motivation begriff. „Ich wollte meinem Vater zeigen, dass es doch geht, in einem kreativen Beruf Karriere zu machen“, sagt sie. Auch wenn sie anfänglich gar nicht so genau wusste, in welchem.
Sie studierte Raumgestaltung und Grafikdesign in Hamburg, danach Produkt- und Möbeldesign in Eindhoven in den Niederlanden, ging 2011 nach New York, arbeitete in einem kleinen Architekturbüro – „aber Architektur ist mir zu langsam“ – und wurde Art Director bei der Crowdfunding-Plattform Kickstarter, Design Director bei der Kreativagentur Mother und war zuletzt Art Director bei Nike – lauter coole Firmen in der coolsten Stadt der Welt. Parallel führte sie bald ihr eigenes Büro. „Nichts davon war geplant, es fügte sich immer zufällig“, erklärt sie fast entschuldigend. „Und es gab immer Leute, die mir mehr zugetraut haben als ich selbst.“ Ihre Großmutter etwa, eine Floristin, von der sie ihr Gestaltungstalent hat und die bis heute, mit über achtzig, ihre ehrlichste Kritikerin ist. Oder die amerikanische Gastmutter, selbst Modedesignerin, die sie einlud, ihre Bewerbungsmappe in Ohio vorzubereiten. Und ihr erster Freund, der, als sie der Mut verließ, die Unterlagen hinter ihrem Rücken abschickte, Kollegen und Chefs sowieso.
Die Designerin spricht über ihre Laufbahn wie über eine Teststrecke, auf der sie ihre Fähigkeiten ausprobiert, Scheitern als Antrieb versteht und sich ihren Schwächen stellt. Es klingt unaufgeregt und unprätentiös, aber man spürt auch die Energie und Disziplin dahinter. Wie sonst hätte sie ihr Projekt „A Poster A Day“ durchhalten können? Dabei gestaltete sie, der Name sagt es, jeden Tag ein digitales Poster, in nicht mehr als 30 (später 60) Minuten, und zeigte es auf Instagram, egal, ob sie es gelungen fand oder nicht: Experimente mit Farbverläufen und Pflanzenblättern, Arrangements aus geometrischen Formen und Fabelwesen, Collagen mit Fotos von Eiern, Ananas oder Pizzascheiben. Ein Jahr wollte sie durchhalten, vier wurden es. Erst betrieb sie das Projekt wie ein Tagebuch, dann als Dialog mit ihren Followern, illustrierte deren Geschichten und beantwortete Fragen in Bildform. Und jeden, wirklich jeden Abend, nach jeder noch so langen Party und auf Reisen durch noch so verlorene Landstriche postete sie ein Motiv, „man findet immer eine Tankstelle, in der man nach WLAN fragen kann“, sagt sie trocken.
Was als kreative Fingerübung begann und zugleich ihren Perfektionismus zügelte, erwies sich als Selbstfindungsprozess. „Am Anfang des Projektes wusste ich gar nicht, wer ich bin“, sagt Alex Proba. 1460 Poster später war sie eine kleine Berühmtheit auf Instagram, hatte ihren eigenen Stil gefunden – und entschied sich, ganz als selbständige Designerin zu arbeiten.
Es läuft gut. Gerade hat sie eine Charity-Initiative lanciert, bei der Kinder Teppiche entwerfen und der Gewinn aus dem Verkauf an Kinderhilfswerke geht. „Little Proba“ heißt das Projekt, ihr Name hat jetzt Markenqualität. Und ihre Familie macht sich schon lange keine Sorgen mehr. Daheim in Lüdenscheid hängen die Praxen von Vater und Bruder voll mit Proba-Postern. Ihre Mutter hält ihre Jugendwerke in Öl und Acryl in Ehren, erzählt die Designerin, es seien ja Originale. „Sie ist überzeugt, dass die mal sehr viel wert sein werden.“