Standhaft

DER NEUE HEDINISMUS

Was Hedi Slimane beginnt, endet als Trend. Das galt bei Dior Homme genauso wie nun bei Celine. Seine Regel lautet, keiner Regel zu folgen.

In der Modebranche lauten derzeit die ungeschriebenen Regeln, denen Designhäusern von New York über London bis nach Mailand und Paris folgen: Kollektionen werden wieder mit einer Show und nicht mehr filmisch präsentiert. Models sind divers, zu dünne Frauen werden vom Laufsteg verbannt. Hedi Slimane, seit vier Jahren Kreativdirektor von Celine, hält sich an keine dieser Regeln. Trotzdem, oder gerade deshalb, wurde das Label zur am schnellsten wachsenden Luxusmarke.

Als Bernard Arnault, Vorsitzender vom Mutterkonzern LVMH, das vorangegangene Geschäftsquartal Revue passieren ließ, beschrieb er Hedi Slimane als „einen Designer, vollgepackt mit Talent“.

Und der hört eigentlich nur auf einen: sich selbst. Der 53-Jährige krempelte das Image von Celine komplett um. Weg von der puren Ästhetik seiner Vorgängerin Phoebe Philo, hin zu einer kompromisslosen Inszenierung von Jugendkult.

So erinnert etwa die Männerlinie mit ihren superweiten Jeans, Oversize-Hoodies und schweren Lederjacken an den Streetstyle-Look der Skater-Kids. Für Frauen empfiehlt Slimane im Frühjahr Miniröcke zu Spencer-Jacken aus Leder oder gestreifte Hemden, kombiniert zur Jeans oder einer Camouflage-Hose.

Präsentiert wurden beide Kollektion mit einem Film unter der Regie des Designers. Das Video für die jetzt aktuelle Damenkollektion ging erst im Dezember online, fast zwei Monate nachdem alle anderen großen Marken bereits ihre Frühjahrslinien gezeigt hatten. Die gebuchten Models entsprachen keinesfalls der aktuellen Norm. Sie waren entweder blutjung oder sehr dünn, oft auch beides.  Die meisten spricht Slimane auf der Straße an und verhilft ihnen nicht selten zu einer Weltkarriere.

 

 

Nach und nach werden bestehende Celine-Stores nach seinen Vorgaben umgebaut. Das Interior der neu eröffneten Läden stellt er selbst zusammen. Nach dem Vorbild von Streetstyle-Labels wie Supreme lanciert Celine zunehmend sogenannte „Drops“, limitierte Kollektionen, die es nur in wenigen Stores zu kaufen gibt. Nachdem „old Céline“ unter Designerin Phoebe Philo vor allem erwachsene Frauen begeisterte, die einen eleganten, zeitlosen Look für rund um die Uhr wünschten, ist das neue Celine auch eine Kontaktaufnahme zur Generation Z, Männern wie Frauen: Unter dem Hashtag #celinebyhedislimane zeigen Fans, Künstler und Stars bei Instagram ihre neuesten Looks oder grüßen mit Champagner aus den Boutiquen, deren Personal genauso gut auch als Models aushelfen könnten.

Vor allem in Asien wird Slimane verehrt wie ein Rockstar. Geholfen hat dabei sicher auch eine Partnerschaft mit K-Pop-Sängerin Lalisa. Seitdem sich die gebürtige Thailänderin mit mehr als 73 Millionen Instagram-Follwern in Looks von Celine zeigt, geht die Marke in Asien durch die Decke. Auch dank der Boygroups. Mittlerweile schwappt die Welle in die USA und Europa. Für Florian Braun, Inhaber des Hamburger Luxus-Stores Unger, ist dies keine Überraschung: „Celine prägt eine eigene Stilistik“, erklärt er.

„Los Angeles und Paris, Minimalismus und Heritage harmonieren perfekt miteinander. Celine ist cool, kann aber auch gut angezogen werden.“

Und ist weniger elitär, als man erwarten könnte. „Die Kollektion ist alterslos und spricht mit ihrer Ästhetik und Preisstruktur ein weites Spektrum an“, erklärt Henning Korb, Managing Director bei Apropos The Concept Store (unter anderem in Köln und Düsseldorf). Für ihn steht fest: „Ähnlich wie Alessandro Michele bei Gucci hat Slimane es geschafft, dass alle Produktkategorien für unsere Kunden begehrenswert sind.“

 

Das gelang ihm schon einmal. Vor 20 Jahren zeigte Slimane erstmals bei Dior Homme schmal geschnittene Anzüge, die für immer Maßstäbe in der Männergarderobe setzen sollten. Karl Lagerfeld nahm nach eigenen Angaben nur deshalb so radikal ab, um in diese Schnitte zu passen. Wenn in diesem Frühjahr zum Beispiel viele Frauen Bauchfreie Tops oder Baseball-Caps tragen, wird das auch daran liegen, dass Slimane beide Kleidungsstücke in seine Kollektion eingebaut hat. Slimane selbst tritt sehr zurückhaltend auf, gibt selten Interviews und vertraut nur einem Kreis an engen Mitarbeitern und Freunden. Wie groß seine Loyalität gegenüber Freunden und die Macht im eigenen Haus ist, wurde deutlich, als der Branchendienst WWD vermeldete, dass Slimane angeordnet habe, dass Kollektionsfotos nicht mehr auf der Seite von „Vogue Runway“ gezeigt werden dürfen. Außerdem ließ er alle Celine-Anzeigenseiten aus den „Vogue“-Ausgaben stornieren. Der Grund dafür sei ein ganz persönlicher: Der Designer sei verärgert darüber, dass Anna Wintour seine enge Freundin Emmanuelle Alt, die Chefredakteurin von „Vogue Paris“, im vergangenen Jahr gefeuert habe. Die Regel, sich mit der mächtigsten Frau der Modebranche besser nicht anzulegen, bricht er also offenbar auch.

 

Text
Oliver C. Schilling