Die Aura der Gefahr verlieh Fußball-Trainer José Mourinho Charisma. Doch nun greift der neue Cheftrainer von AS Rom zu frischen Methoden und gibt sich ganz bescheiden. Mit Kleidung ausstatten lässt er sich inzwischen von Zegna. Das Gegenteil von plattgebügelter Uniformität.
GUTE PARTIE
Blickt man auf den frühen Stil des Fußballtrainers José Mourinho, so findet sich in ihm so viel italienische Lässigkeit wie in einem Bratenmesser aus rostfreiem Solinger Stahl. Ganz bewusst positionierte sich der portugiesische Fußballlehrer in seinen Jahren bei Chelsea, Inter Mailand und Real Madrid als Gegenpol zum kreativen Spiel, für das Mannschaften wie der FC Barcelona oder der FC Arsenal standen.
Teams unter Mourinhos Anleitung waren defensive Zertrümmerungsmaschinen, zusammengesetzt aus Spielern, die körperlich auch im Boxring bestanden hätten – und der Übungsleiter gab den Einpeitscher, der seine Soldaten mit jedem erdenklichen Psychospielchen zu größtmöglicher Effizienz auf dem Platz trieb. Sympathien erhielt der Mann deshalb nirgendwo, aber auch seine größten Kritiker konnten ihm nicht absprechen, dass seine Aura der Gefahr ihm Charisma verlieh.
Doch die Zeiten ändern sich. Heute ist Mourinho beim AS Rom genauso selbstverständlich im Amt wie zuvor bei Tottenham Hotspur in London, beide Vereine haben eine lange Tradition als Verfechter des schönen Spiels. Tottenham trug Kurzpass-Fußball vor, als die englische Taktik sich allzumeist darin erschöpfte, die Pille so weit und hoch wie möglich nach vorn zu bolzen. Vollends „Die Roma“ agierte in finstersten „Wir mauern uns im Strafraum ein und spucken, beißen und treten“-Zeiten für italienische Verhältnisse erstaunlich offensiv.
Damals noch Trainer von Porto während dem UEFA-Champions-League-Viertelfinale zwischen Lyon und dem FC Porto im Gerland Stadion 2004.
Bild: Getty
Mit Kleidung ausstatten lässt sich der zweimalige Champions-League-Sieger inzwischen von Zegna. Ein Familienbetrieb, der im 20. Jahrhundert die englische Vorherrschaft im Tuchhandel brach und sich inzwischen auch einen so großen Namen bei klassischer Garderobe gemacht hat, dass schon Männer wie Robert DeNiro für das Unternehmen warben. Die Familie um Gildo und Anna Zegna steht für einen Look, der gleichzeitig ordentlich und doch geschmeidig wirkt, also das Gegenteil von plattgebügelter Uniformität darstellt.
Das wiederum harmoniert mit Mourinho, der seit einiger Zeit deutlich entspannter rüberkommt. Für Zegna erläutert er in einem Video, was dem zugrunde liegt: In seinem Beruf, so sagt er, gewinne man kein Ansehen, weil man auf große Erfolge zurückblicken könne – deshalb gebe er sich inzwischen bescheiden, wenn er irgendwo neu beginne; das von einem Mann zu hören, der lange für ein Ego in der Größe des Empire-State-Buildings bekannt war, tut richtig wohl. Und wer die Spieler auf seine Seite ziehen wolle, der könne das ohnehin nur durch eine Persönlichkeit und seine Qualifikation tun, fährt er fort, nicht durch einen Verweis auf die Hierarchie.
Ob sich das alles im Trainingsalltag tatsächlich so darstellt, lässt sich schwer beurteilen. Zumal der Mann hinzufügt, er werde bei allen Anpassungen an sein Umfeld nie an seiner Identität als Trainer rütteln. Ganz klar ist dagegen, dass die Kombination aus grauem Rollkragen-Pullover, grauer Jacke und weißen Sneakers, die Mourinho zur Schau stellt, ganz ausgezeichnet zu seinen Worten passt. Maskulin wirkt längst nicht mehr, wer durch gepolsterte Powersuits Muskeln zur Schau stellt, die er gar nicht hat. Es stellt sich eher die Frage, wie etwas so Lächerliches so lange in der Welt bleiben konnte.
„The only match in my career that matters is the next one.“
Er denke immer nur an das nächste Spiel sagt Mourinho in dem Video – ein Motto, das schon Sepp Herberger als Architekt des „Wunders von Bern“ mit dem Spruch „Der nächste Gegner ist immer der schwerste“ ausgab. Herberger tat das im Trenchcoat. Wenn Mourinho heute in seiner Zegna-Montur vor die Spieler tritt, stehen die Chancen gut, dass sie ihm so gut zuhören, wie Herbergers Männer es 1954 taten.
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