Kolumne Florentine Joop

VON MUTTER NATUR UND DESIGNER-BABYS

In einer Welt, in der der Mensch die absolute Kontrolle hat über das Aussehen von Dingen und sich selbst, seine Gesundheit, die Umwelt, Autobahn, Liebe, Sex and Global Warming, da ist der Designer heute ganz anderen Aufgaben gegenübergestellt. Man denke da an Design-Begriffe wie: Virtual Reproduction und Virtual Motherhood, Instagram Reality, Facebook Degrees und Social-Media-Grundschule im Netz. Hallo? Braucht noch irgendjemand eine weitere Realität? Auswüchse gibt es nicht nur am Haaransatz. So möchte man im Bio-Lab bei der Befruchtung der Eizellen bitte auch einen Designer dabeihaben, der einem mit dem Perfect-I-Match einen Instagramtauglichen Nachwuchs entwirft. „Form follows function“ auch hier bitte schön. Wozu sollen sich denn meine Designer-Babys (zurzeit eher Teenage- Mutants) analog draußen die Pest ins Haus holen, wenn es sich sehr, sehr gut auch lit-te-rÄ-lly alles, was wichtig ist, aus den Überschriften bei Twitter, „Bild“ und TikTok zusammenkleistern kann. Social-Digital-Design-Reality-Thinking. Und egal, was diese ganzen Krötenretter in Hanfuniformen jetzt maulen, Design-Denken wird uns wahrscheinlich auch wieder aus dem Klima-Schlamassel rausphotoshoppen. Hamburg am Atlantik ist doch auch mega, das passende Hotel gab’s ja schon immer, weil: Hamburg denkt im Generationenmodell.

Jugendliche stehen in Suburbia im Regen vor der Disco und rufen: „Siri! Siri! Wie komm ich nach Hause?“ in ihr Smart-Ass-Phone, um dann fluchend festzustellen, dass sie re-al-ly jetzt laufen müssen. Da ist der Designer doch gefragt, eine Lösung zu bieten. Smart City, right now. Mama leiht Justin den Smart, heißt das allerdings immer noch, aber bald, bald kommen die bestimmt mit einer Lösung! Nachhaltig, of course. Und neulich der Taxifahrer, der laut auf die Lastenfahrräder schimpfte: „Ja, und bei Regen rufen sie dann wieder uns, weil is ja nass!“

Ich war versucht, ihm zu sagen, dass hier fast nie ein Taxi kommt, und wenn, dann weiß man auch nicht, wann, weil Smart City scheitert an Hans und Uwe aus Brandenburg und an null Bock auf Dienstleistungs-Mumpitz, dachte aber, während ich im immerwährenden Stau Richtung Innenstadt stand und ein Lastenfahrrad mit Elektro- und Muskel-Power nach dem anderen an uns vorüberbrausten, dass das jetzt zu nichts führen würde.

 Hallo? Designer und Designerinnen? Anybody?

Die Grenze ist wie immer dann erreicht, wenn Mutter Natur mal wieder ungefragt an die Labortüre klopft und uns mitteilt, dass wir irren, dann sind wir von Natur aus, denn so hat sie uns geschaffen, verschnupft. Was soll ’n das jetzt? Mother Nature ist eine Mutter und somit gleichzusetzen mit: Spielverderber.

Da blökt das Menschenherz sofort im Automatismus des unerzogenen Teenage-Realitätsverweigerers, wenn Mutti Natur uns auf die Finger haut und sagt, dass zum Beispiel Tiere nicht gequält werden dürfen, sonst gibt’s Pandemie-Hausarrest, oder dass kein Feuer ohne Aufsicht eines Experten gemacht werden darf, sonst wird’s lebens- und CO2-gefährlich. Da wundert’s mich nicht, wenn so manche Leute mit Füßchen aufstampfen und rufen: Wenn der/die /das darf, dann darf ICH das aber auch!!! Oder wenn Mummy sagt, dass man den Dreck, den man macht, gefälligst wieder wegzumachen hat, und jedes Kind sagt: Das war ich gar nicht! Das war Lisa, Amerika, China! Und der Designer so: Ich mach mal ’ne App …

Mama sagt auch, dass es mehr Demut vor ihr geben sollte, mehr Einsicht, dass man sich nicht alles schöndesignen kann. Dass sie viel älter ist, erfahrener, sie hat uns gemacht, sie weiß es einfach besser … da werfen wir ihr doch am besten ein paar Neubau-Designer-New-Bauhaus-Klötzchen aus Beton gegen die nervige Stirn, schottern unsere Gärten, damit sie leichter zu kärchern sind, und pupsen mit dem SUV in den himmlischen Sonnenuntergang. Kinder sind egoistisch. Empathie muss man ihnen beibringen, genauso wie dieses: Verantwortung zu übernehmen. Designer sagen dazu Nachhaltigkeit. Finger-nach-oben-Emoji!

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Ich hab’s verbockt, ich bringe das wieder in Ordnung, damit die Nächsten ein ordentliches Zuhause/Arbeitsplatz vorfinden, einfache Pädagogik, Kindergartenwissen. Design das mal. Du hast es schon nicht leicht mit uns, Mama Erde, so sorry …

Florentine Joop, Illustratorin in Potsdam