Die italienische Designmarke Flexform macht Instagram zum Möbel-Showroom und ihre Neuheiten zu Turngeräten.
Wohnen in Bewegung
Mit fünf begann Gioia Meli zu turnen. Jetzt ist sie 18 Jahre alt, italienische Meisterin im Schwebebalken, und wenn sie nicht gerade zur Schule geht, als Eisverkäuferin jobbt oder mit ihren Hunden spielt, verbringt sie ihre Zeit beim Training in der Halle. Dass diese zwischendrin keine Sport-, sondern eine Produktionshalle für Designer-Möbel sein würde und ihre Geräte Sofas, Sessel, Hocker oder Liegen, hätte sie sich vor Corona kaum vorstellen können.
So aber ist sie zur Hauptdarstellerin eines Videos geworden, mit dem Flexform seine Kollektion 2020 auf Instagram angekündigt hat. Im knallrotem Trikot – der Farbe der Firma – absolviert sie eine Turnkür, macht Handstand auf den gusseisernen Armlehnen des Gartensessels „Carlotta Outdoor“, Überschlag über das minimalistische Daybed „Hora Sexta“ und den wohlproportionierten schlichten Holzkorpus des Sofas „Ontario“, hält sich kopfüber am Sitzgeflecht des Holzhockers „Tonga“ fest und landet schließlich auf dem Sofa „Gregory“, dem neuen Starprodukt der Marke und, wie die meisten Möbel, von Antonio Citterio entworfen, mit dem Flexform seit fast 50 Jahren eng zusammen arbeitet.
Es ist ein kurzer Film, aber die Lichtregie in der dunklen Fabrikhalle könnte kaum dramatischer sein, die Musik – die ersten Takte von Richard Strauss’ „Zarathustra“ – kaum pathetischer, und dazu sagt eine Stimme aus dem Off Sätze wie „Wir sind bereit, uns der Herausforderung zu stellen, mit dem Willen kommt auch der Weg. Wir sind bereit zu fliegen und auf unseren Füßen zu landen, und tragen dabei unser Herz auf der Zunge.“ Vor ein paar Monaten hätte man das insgesamt vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen gefunden. Jetzt aber erscheint der Film, auf den ein Kalender von Instagram-Posts folgte, wie ein Bekenntnis und Mutmacher für die ganze nationale Designbranche, die in Italien so identitätsstiftend ist wie in kaum einem anderen Land. Nicht umsonst findet die wichtigste Möbelmesse der Welt jedes Jahr in Mailand statt.
Nur dieses Mal nicht, der „Salone“ fiel coronabedingt aus, peu à peu stellen die großen Marken nun ihre Neuheiten im Netz vor. Das ist insofern nicht einfach, als es bei Möbeln, die leicht den Wert eines Kleinwagens haben, auf ein zeitlos elegantes Design ankommt sowie auf hochwertige Materialien und eine perfekte Verarbeitung. Man muss sie eigentlich fühlen, anfassen, darauf Probesitzen können. Deshalb ist die Kampagne, die Flexform zusammen mit dem jungen Kreativdirektor Fabrizio Spucches entwickelte, einem Schüler des legendären Benetton-Fotografen Oliviero Toscani, so überraschend wie clever. Nicht nur, weil Gioia Meli mit ihrer Kür „die Anmut und den mühelosen Stil verkörpert, der sich mit unserer eigenen Idee von Eleganz und der neuen Kollektion verbindet“, wie Flexform-Chef Matteo Galimberti sagt. Sondern weil sie die Möbel zugleich einem Qualitätstest unterzieht: Ein Sofa, auf dem man Wettkampfreif turnen kann, besteht den mit Bravour. Und irgendwie ist die Vorstellung einer Wohnung, die zur Turnhalle wird, auch ein ganz gutes Bild für die Wochen des Shutdowns. Große Gesten und feine Ironie – so elegant bekommen das eben nur die Italiener zusammen. Mehr unter flexform.it