Testfahrt im F8 Tributo

Bella Macchina

Die erste Fahrt im Ferrari – und dann gleich auf der Rennstrecke im F8 Tributo. Wir haben Gas gegeben.

„Du sitzt im falschen Auto!“ Sehr entschieden wird mir das am Ende des Tages beim Ausparken zugerufen. Aber stimmt das? Fest steht, dass am Anfang vor allem eines am Start ist: maximale Vorfreude auf das, was die Stunden an der Rennstrecke am Bilster Berg mit sich bringen werden. Das Erlebnis, zum ersten mal, einen Ferrari zu fahren. Genauer: Den F8 Tributo, selbstverständlich in leuchtend Rot. Ein gutes Jahr müssen sich Käufer aktuell auf die Auslieferung dieser Skulptur auf vier Rädern vorfreuen. Diesem Wagen unemotional zu begegnen? Unmöglich. Denn mit „Ferrari-Fahrer“, damit verbindet jeder etwas. Model Kendall Jenner liebt Ferrari ebenso wie Brillen-Unternehmer Günther Fielmann. Michael Jordan kaufte sich einen 512 TR als Symbol seines Aufstiegs zum Alpha-Basketballer. Und über Michael Schumachers Beitrag zur Entwicklung der Serienfahrzeuge wird unter Ferraristi bis heute geschwärmt. Alle eint die Lust an Hochleistung in Verbindung mit italienischer Grandezza.

Genau diese wartet nun unter einem eher tristen nordrhein-westfälischen Himmel in Form des F8 Tributo mit 8-Zylinder-Mittelmotor und 720 PS. Vierfach wurde das Triebwerk bereits bei den „International Engine Powertrain of the Year Awards“ ausgezeichnet und stetig verbessert. Der Wagen ist aufregend edel modelliert und die horizontalen Schlitze an der Motorabdeckung erinnern an den F40. Mit einem Mindestpreis von rund 223.000 Euro ist der F8 Tributo dabei eher der Einstieg in die Ferrari-Welt, andererseits mit seiner Kompromisslosigkeit und der Verwandtschaft zum 488 Pista eine Maschine, die alles andere als ein Anfängermodell ist. Ein Grundrespekt vor der schieren PS-Kraft wird serienmäßig mitgeliefert, weshalb sich die Experten von Ferrari auch auf eine minimale Einweisung in die technische Welt des Wagens beschränken. Wichtigste Regel dabei: „Behandeln Sie ihn so, als wäre es Ihr eigener.“

Gerade einmal 1000 Wagen hat Ferrari im letzten Jahr in Deutschland verkauft. Zum Vergleich: Porsche setzte im gleichen Zeitraum rund 31.000 Autos ab. Der Blick auf das Lenkrad mit dem „Cavallino rampante“, dem sich aufbäumenden Ferrari-Pferdchen, und die damit verbundenen Glücksgefühle sind also nach wie vor ein exklusives Vergnügen. Das Interieur des Wagens ist eher minimalistisch gehalten: Sportsitze, eine Mulde, um den Fahrzeugschlüssel zu fixieren – auf dass dieser auf der Rennstrecke nicht durch den Innenraum fliegt –, und ein Cockpit, das auf riesige Digitaldisplays verzichtet und in dessen Mittelpunkt stattdessen der Drehzahlmesser steht. Wer Komfort sucht und seine Umwelt vorzugsweise durch eine schützende Luxus-Blase erleben möchte, der ist in einem Bentley GT sicherlich besser aufgehoben. Wer hingegen Straße beziehungsweise Rennstrecke unmittelbar und im wahrsten Sinne des Wortes erfahren will, der hat im F8 Tributo maximale Freude.

Rund 30 Prozent der Kundschaft trifft sich regelmäßig auf Trackdays, um die Pferdestärken voll zu nutzen. Da wird das „Manettino“, der Schalter am Lenkrad, mit dem man den Fahrmodus einstellt, in den Race-Modus geklickt, und das Pedal auf der langen Geraden immer wieder kraftvoll Richtung Asphalt gepresst. Der F8 Tributo zeigt am Bilster Berg dann auch, was er kann: brutal beschleunigen, Kurven mit hohem Tempo souverän nehmen, und selbst bei der Einfahrt in die „Mausefalle“ mit 26 Prozent Gefälle nicht die Bodenhaftung verlieren. Schnell ist man jenseits der 200 Stundenkilometer unterwegs und bremst den Wagen mit Keramikbremsen kontrolliert in den zweistelligen Bereich zurück.

Er fährt sich ebenso aufregend wie präzise. Ein Wagen für Hedonisten, für Männer und Frauen, die sich rein nach dem Lustprinzip fortbewegen wollen. Einen F8 Tributo fährt man nicht praktisch orientiert von A nach B, man bewegt und erlebt ihn. Er ist sinnlicher als ein McLaren und eleganter als ein Lamborghini.

 

Kein Wunder also, dass die meisten F8-Tributo-Käufer Wiederholungstäter sind. Der Selbstversuch zeigt: Es ist leicht, dem Mythos Ferrari zu erliegen. Auch die Fahrt am Bilster Berg ist Teil eines Kunden-Events. Viele von ihnen stehen fachsimpelnd vor ihren Wagen: Wer hat bereits welchen, wer wartet auf welchen, und natürlich: Wer hat den aufregendsten? Mick Schumacher ist auch da, für einen Charity-Lunch, für den sich einige VIP-Kunden Plätze erspendet haben. Ferrari, das ist eben auch „La Famiglia“, die PS-Leidenschaft verbindet die mitunter sehr unterschiedlichen Besitzer. Den typischen F8-Tributo-Fahrer gibt es dann auch nicht, er oder sie ist irgendwo zwischen 30 und 50 Jahren alt, und die eine Hälfte ordert gern in gedeckten Farbtönen, die andere mag es bunt, wobei „Rosso Corsa“ in Deutschland die populärste Lackierung ist, gefolgt von „Nero Daytona“.

Am Ende des Tages trennt man sich vom Vorführgeschoss und steigt in den eigenen Wagen zurück. Der hat eine Flagge im Markenemblem, zu der ebenfalls ein Pferd gehört. Im Museum von besagtem Hersteller, am Porsche-Platz 1 in Stuttgart, wird gern erzählt, dass das Ferrari-Pferdchen von einem abgeschossenen baden-württembergischen Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg inspiriert wurde. Was man in Maranello tendenziell etwas anders sieht. Aber wie dem auch sei: Man wendet also diesen anderen Sportwagen zwischen all den Cavallinos am Bilster Berg, und jemand ruft einem zu: „Du fährst das falsche Auto!“ Falsch? Mit Sicherheit nicht. Aber es ist eben auch, und das in so ziemlich jeder Hinsicht: kein Ferrari.

Unser Autor Alexander Stilcken
Text
Alexander Stilcken
Fotos
Lennen Descamps