Bei Donzé Cadrans im Schweizer Jura entstehen Emaillezifferblätter für die feinsten Uhren. Hightech braucht hier kein Mensch, eher Jahrzehnte der Übung, in denen er immer, immer besser wird. Die Werkstätten wirken wie eine Mischung aus Atelier und Alchemistenküche.
Was für Farben!
Und das Weiß!
Hochwertige Uhren sind, natürlich, zuallererst ein handwerkliches Produkt. Inzwischen aber haben sich auch die traditionsbewusstesten Hersteller von dem Dogma gelöst, dass Handarbeit gut, Industrialisierung hingegen als Basis liebloser Massenfertigung generell böse sei. In sächsischen und Schweizer Manufakturen bekommt der Besucher längst auch neueste – und teuerste – Hightech stolz vorgeführt: CNC-Maschinen und Geräte, die emsig winzige Lagersteine sortieren und passgenau in Werkplatinen setzen. Sie tun all das, was sich automatisieren lässt – für die Uhrmacher:innen bleibt genug Diffizileres zu tun, häufig in perfekt klimatisierten und staubfreien Reinräumen.
Bei den Zulieferern jedoch gibt es Unternehmen, in deren Werkstätten die Zeit einfach stehen geblieben zu sein scheint. Nicht aus Not, Verstocktheit oder Marketing-Kalkül – die Leistungen dieser Firmen sind innerhalb der Branche jedem, außerhalb kaum jemandem bekannt. Sondern weil es keinen Grund gibt, etwas an bewährten Verfahren zu ändern, wenn die Qualität des Produkts doch nur mit der Erfahrung der Fachkräfte zunimmt, sich deren Gespür und Expertise gar nicht automatisieren lassen. Donzé Cadran im Jura-Uhrmacherstädtchen Le Locle ist so ein Fall. Manche Arbeitsplätze lassen in ihrer schlichten und sehr betagten Ausstattung an ein historisches Museum denken: das große, mit Zinkblech ausgeschlagene Becken zum Beispiel, in dem die Emaille-Masse vorbereitet wird, fein pulverisiert in flaschengrünen Glas- und braunen Marmormörsern. Zum Einsatz kommt dabei auch eine alte Milchkanne, wohl eher zufällig auch emailliert; wahrscheinlich war sie einfach gerade zur Hand, vor Jahrzehnten, und dient ihrem Zweck seitdem gut.
Das ist pittoresk, aber fern des Verdachts, jemanden werbewirksam bezaubern zu sollen. Auch die Website von Donzé Cadrans wirkt eher nüchtern, zeigt das besondere Ambiente nicht. Seit 2011 gehört das Haus zu Ulysse Nardin, arbeitet aber, das lässt man schon durchblicken, auch für andere bedeutende Manufakturen. Deren Namen jedoch werden diskret verschwiegen. Die Handwerker hier beherrschen das transparente Emaillieren fein guillochierter Blätter genauso wie die Champlevé-Technik, bei der sie ins Metall gravierte Vertiefungen farbig ausfüllen, und die Cloissonné-Emaille, für die der Glasschmelz zwischen winzige Metallstege gesetzt wird.
Schon die Herstellung gleichmäßig strahlend weißer Zifferblätter ist aufwendig und kaum kalkulierbar. Der zuständige Spezialist bestäubt die Blatt-Rohlinge durch sanfte Schläge mit einem stoffumwickelten Stab gegen eine Sieb-Dose. Im Dutzend werden sie in den Ofen geschoben – und kaum je überstehen alle Werkstücke den Brennvorgang Der Ausschuss ist groß, zumal auch noch begutachtet werden muss, ob kleine Imperfektionen ein Blatt unverwechselbar machen – oder einfach mangelhaft. Außerdem trüben nun auch noch die Ansprüche der modernen Welt die Hoffnung auf ein möglichst strahlendes Ergebnis, buchstäblich: Ausgerechnet Arsen sorgt für ein besonders helles Weiß, seit einer Weile darf es nicht mehr verwendet werden; man sucht noch nach Ersatz.
Von den zahllosen Farbtönen, die Donzé Cadrans vorrätig hält, kommen auch ein paar andere nur noch selten zum Einsatz: Der Gelbton Nr. 18 zum Beispiel, ein Urananteil macht ihn radioaktiv. Gleich neben den Fläschchen mit bunten Pulvern hängen die entsprechenden Arbeitsproben, leuchtend, schimmernd und glimmend emaillierte Metallstreifen. Wer sie aufmerksam studiert, findet anschließend die Welt draußen womöglich ziemlich trist. Aber sie lässt sich ja verschönern.