Dolce & Gabbana Florenz

Die Rückkehr des Träumens

Die Gespräche darüber hatten vor zwei Jahren begonnen, es wurde dann diese Woche im September 2020. Das Timing hätte nicht besser sein können. Sicher, wenn Dolce & Gabbana, längst selbst Teil des italienischen Kulturguts, als Ehrengäste bei der wichtigsten Männer Modemesse Italiens, der Pitti Uomo, eine Show inszeniert hätten, wäre das an sich schon ein Spektakel geworden. Doch im Corona-Jahr kam es noch mal anders und man ist geneigt zu sagen, zum Glück. Die Messe wird nur digital stattfinden, was nicht an den Veranstaltern liegt, sondern an den Bedenken vieler Aussteller und Einkäufer, auf die Rücksicht genommen wurde. Das digitale Konzept ist überzeugend, aber umso mehr rückt ein tatsächlicher Event wie der von Dolce & Gabbana in den Fokus. Und sie haben ihr Programm ausgeweitet, zum ganz großen Kino geladen, mit Alta Gioielleria, Alta Sartoria, Alta Moda, also zur Königsklasse in den Segmenten Schmuck, Männer und Frauen.

Das Timing ist schon deswegen perfekt, weil auch die Modebranche Zuversicht braucht. Ein Drei-Tage-Event, selbstverständlich unter Berücksichtigung aller neuen Regeln, sendet ein klares Signal. Vor allem aber trifft es sich, dass die Designer 38 Kunsthandwerker der Region einbezogen haben in ihre Präsentation und Arbeit. Sind doch Handwerk, Tradition, Exzellenz, Kreativität genau die Begriffe, die für die Stärke und die Einmaligkeit italienischer Mode stehen. Darauf lässt sich Zukunft bauen. Wobei der Satz von Stefano Gabbana gilt: „Kunsthandwerk ist nicht cool, ist nicht Fashion.“ Sondern für die lange Sicht. So etwas will man.

Wo ließe sich das besser beobachten als in Florenz. Kaum angekommen in der Altstadt ist man quasi schon im Rausch. Auch hier fehlen Touristen und man schwankt zwischen Freude über ungeahnte Sicht und Platz und der Sorge um die Wirtschaft. Und dann steht man am Abend auf dem abgesperrten Platz vor dem unerschütterlichen Palazzo Vecchio, zum Teil bereits im Mittelalter erbaut, einst Sitz der weltlichen Macht im 14. Jahrhundert, nun das Rathaus. Statisten in Renaissancekostümen stehen Spalier, Fanfaren begleiten die Gäste rote Teppichstufen hinauf, alle tragen Stoffmasken und einen Brokatmantel, eigens für diesen Anlass von den Designern gefertigt. Eine Art Uniform, vor allem aber ein Moment von Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit, sind diese Events doch sonst ein Schaulaufen größter persönlicher Wohlstandsdemonstration. Dieser Abend ist ruhiger, zufriedener, womöglich dankbarer. An den Absperrgittern drängen sich Schaulustige, weniger als sonst, aber immerhin mal wieder. In der Eingangshalle haben die Florentiner Kunsthandwerker ihr Forum, es bleibt bis Ende Oktober öffentlich zugänglich. Alles dreht sich um die lange Sicht.

 Ich erwische mich bei dem Gedanken, dass ich diese Männer gern mal im Alltag treffen würde. High Fashion, high dream.

 

Aber natürlich auch um stoffliche Begehrlichkeiten. „Renaissance“ ist das Thema der Männerkollektion, damals begann schließlich die Weltkarriere des italienischen Handwerks. Man wandelt sich hinein in jene Zeit, die Stadt hat den Palazzo mit all seinen Räumen und Erhabenheiten geöffnet für uns Gäste. Und dann landet man im prächtigen, 1495 errichteten „Saal der 500“. Die Gäste, 250 statt 500, sitzen auf Bänken und thronähnlichen Sesseln, schön auf Abstand, der Laufsteg in Form einer Lilie durchzieht die Mitte. Die Kollektion, 100 Looks, alles Fatto-a-mano in Italien, spielt mit dem Stil, den man aus Gemälden und Büchern kennt, man wähnt sich in einem gewaltigen Opernfundus – mit besseren Qualitäten. Ich erwische mich bei dem Gedanken, dass ich diese Männer gern mal im Alltag treffen würde. High Fashion, high dream.

Am nächsten Abend ging es bei den Frauen um „Wiedergeburt“, die Referenz sind die 50er-Jahre, denn in Florenz begann nach dem Krieg auch der Aufstieg der italienischen Mode. Da ist man doch gern dabei.

Text
Inga Griese