Paris Fashion Week

Maria Grazia Chiuri und ihr Dior SS21 

Strahlend weiß stand die riesige Box in den Tuilerien, ein Zeichen von Zuversicht im effektiven Nieselregen. Es ist Modewoche in Paris und natürlich hat Dior zu einer richtigen Show geladen. Livestream für all die Kunden, Fans und Journalisten, die nicht anreisen konnten, gab es auch. Aber keine Show war trotz aller Widrigkeiten keine Option, solange kein staatliches Verbot greifen würde. Tat es nicht. Die letzte Modewoche im Februar stand unter dem Menetekel des Coronavirus, keiner ahnte damals, welche Ausmaße es annehmen würde. Nun ist Paris als Risikogebiet eingestuft, aber zugleich versuchen die großen Modehäuser  wie Dior, Hermès, Chanel und Louis Vuitton Signale zu setzen. Die Kollektionen, die nun gezeigt werden, sind für Frühjahr/Sommer 2021 gedacht und die Hoffnung läuft mit, dass die Pandemie dann unter Kontrolle ist.

Fiebermessen, Hände desinfizieren, Mundschutz gerade rücken und noch einen extra aus dem Körbchen mit den weißen Baumwollmodellen mitnehmen, den Regen abschütteln und eintauchen in eine ganz andere Welt. Schwarzer Boden, schwarze Bänke, viel Platz für jeden – das Gegenteil vom gewohnten Gequetsche –, schwarze Wände mit hohen gotischen Kirchenfenstern. Halt, sind es gar nicht. Sondern Collagen aus Plakaten, Zitaten und Kunstwerken der Künstlerin Lucia Marcucci. Quasi eine Maria Grazia Chiuri Kirche.

 

Seit sie bei den Dior Frauen das kreative Sagen hat, ist jede Prêt-à-porter-Kollektion eine Hommage an Künstlerinnen aller Genres und eine Fortschreibung vom Status der Emanzipation. Sie will mit ihren Entwürfen den Frauen nicht nur Kleidung zum Wohlfühlen geben, sondern webt auch immer Re­fle­xi­onen über soziale Veränderungen oder Reaktionen auf aktuelle Gegebenheiten ein. Maria Grazia Chiuri fühlt sich der Dualität von Leben und Mode verpflichtet. „Wir gehen durch eine Zeit der Krise, die radikale Veränderungen mit sich bringt, im Umgang miteinander und Gewohnheiten und Veränderung. Unsere Gedanken haben sich verändert wie das Verhältnis zu unserem Körper“, formulierte die Designerin im Begleittext zur Show. Backstage, als der Team-Applaus verklungen war, klang es wie ein Seufzer, als sie hinter der extra dicken Maske sagte: „Was für Zeiten sind das!“

Ihre gestalterische Antwort könnte unter dem Stichwort „Ruhe bewahren“ stehen, erdige, einfach schöne Kleider, Mäntel, Jacken, Patchwork, Handarbeit, nichts Aufregendes, sondern verlässlich. Das waren früher in der Mode Schimpfwörter. Jetzt klingen sie sehr beruhigend. Dass alles trügerisch sein kann, machte der Gesang vom Frauen Chor „Sequenza 9.3“ deutlich, zum Ohren bersten schrill, dann wieder choral und versöhnlich. Es fühlte sich genau richtig an.

Text
Inga Griese