Wir bauen das!

Die rollenden Kronjuwelen

Von Budapest nach Prag. Man kann da hindüsen. Oder im Rolls-Royce hingleiten. Mit einer Ikone auf Entschleunigungstour de luxe.

Warum wird ultimativer Luxus eigentlich nicht vom Arzt verschrieben? Schließlich soll es durchaus eine therapeutische Wirkung haben, einen Rolls-Royce zu fahren. CEO Torsten Müller-Ötvös hat sogar einen medizinischen Begriff dafür: „Detoxification nenne ich das.“ Eine mobile Entgiftung für Körper und Seele sozusagen:

„Sie sitzen in einer extrem entspannten Atmosphäre. Sie haben nicht zig Screens oder Knöpfe um sich herum. Hinzu kommt psychologisch: Sie müssen an keiner Ampel Gas geben. Sie stehen nicht ständig unter Druck, allen beweisen zu müssen, was ihr Auto kann. In einem Rolls-Royce gibt es nichts, was Sie in irgendeiner Form beweisen müssen. Sie sind einfach da.“

Während der Chef das sagt, geht sein Blick gen Himmel. Rolls-Royce sind die rollenden Kronjuwelen, Stolz britischer Industriegeschichte. Gegründet vor 117 Jahren von Henry Royce und Charles Rolls, ihr Leitspruch lautete: „Strive for perfection in everything you do“ (Streben Sie nach Perfektion in allem, was Sie tun). Starten wir also eine Rolls-Royce- Therapie. Schon die Einladung liest sich wie eine Massage für die Sinne: „Epic drive von Budapest nach Prag“. Verlockend wie eine Reise mit dem Orient-Express.

Wir treffen uns im „Four Seasons Gresham Palace“. Ein Monument am Ufer der Donau, erbaut 1904 mit zwei Millionen Mosaikfliesen im Foyer und mächtigen Preciosa-Leuchtern. Ein Grandhotel wie aus einer Filmkulisse. Davor steht der neue Rolls-Royce Ghost Extended in Salamanca Blue.

 Die Türen öffnen sich scherenartig und breit wie die Arme eines guten Freundes. Ich steige ein und falle in eine andere Welt.
Sitze wie Sessel. Ich atme Qualität. Jedes Detail „bespoke“ wie ein Maßanzug aus der Savile Row. Handgefertigt in über 800 Arbeitsstunden im südenglischen Goodwood.

Der Preis ist auch nicht von der Stange: 367.600 Euro. „Aber irrelevant“, versichert CEO Müller-Ötvös: „In diesem Segment spielt der Preis keine Rolle, wir sind im Luxusgütergeschäft. Unsere Kunden wollen ihre Geschichte erzählen.“ Jeder Rolls-Royce ist ein Unikat, maximal personalisiert. „Sie sagen uns, was Sie wollen – wir bauen das.“ Sei es ein Sternenhimmel, wie er am Geburtstag des Käufers am Firmament geleuchtet habe, original nachgebildet mit 1340 Fiberglaslämpchen, inklusive Sternschnuppen. Oder ein Champagnerkühler mit drei Klimazonen. 44.000 Farbvarianten. Ein Ehepaar hat sich kürzlich ein „boat tail“ bauen lassen wie auf einer Yacht – für 23 Millionen Euro.

 

Wer sind diese Kunden? Sie werden immer jünger. 43 Jahre im Schnitt. Viele Unternehmer. Mehr Fintech als altes Geld. Stars wie Jay-Z und Beyoncé. Das Geschäft boomt: 1380 Rolls-Royce wurden im ersten Quartal 2021 verkauft, mehr als je zuvor. Ein Rekord mitten in der Pandemie. Ich sitze im Ghost, er kann 250 Spitze fahren mit seinen 571 PS, der aber nur eines möchte: entschleunigen. „Effortless drive“, alles ist so mühelos. Es ist mehr ein Über-die- Fahrbahn-Gleiten. Ich kreuze die Donau, herrliche Brücken. Sehenswürdigkeiten allenthalben.

 

Ich verstehe plötzlich, warum Menschen Städtereisen lieben. Im tschechischen Brünn parke ich vor der Villa Tugendhat, dem Juwel der Bauhaus-Architektur. Ludwig Mies van der Rohe hat es 1930 errichtet, sein wegweisendes Konzept der fließenden Räume. Pilgerstätte für Designliebhaber, Weltkulturerbe. Ich er-fahre Geschichte. Weiter nach Prag zum Dinner auf die Dachterrasse des „Four Seasons“. Spektakulärer Blick auf die Prager Burg aus dem neunten Jahrhundert und die berühmte Karlsbrücke. Es fängt an zu regnen. Ich öffne die Tür des Rolls-Royce:

   Ein Knopfdruck, schon kommt ein Regenschirm heraus. Alles wirklich sehr entspannt.

 

Text
Tom Junkersdorf
Fotos
Peter Sorok