Der Spaß am Ernst

Ganni ist ein dänischer Modeerfolg. Nicht nur, was die Kleidung angeht, sondern auch für den Umweltschutz. Wir trafen das Gründerpaar Nicolaj und Ditte Reffstrup in Kopenhagen.

 

Wer morgens um neun im Showroom von Ganni in der Kopenhagener Innenstadt noch nicht munter ist, wird es spätestens dort: Eine Art dänisches Memphis ­Design­ Interior mit Wänden und Mobiliar in Pas­tellfarben bilden den Rahmen für die ausgestellten Kollektionsteile. Unauffälligkeit ist nicht das Merkmal dieser Marke: Glitzer, Lacks, Blumen- und Tigerprint. Chiffon-Flatterkleidchen und Trenchcoat, kräftige Farben und ein unverkrampftes Verhältnis zum Brandig – das ist der Ganni-Look. Wobei auch Denim und Sportswear dazugehören, allerdings gerne mit verspielten Details wie gerüschten Kragen oder Jeans mit Mustern. Die Ganni-Welt hat mit skandinavischer Neutralität nichts zu tun, und das war von Anfang an der Plan: „Ich sah uns nicht in dieser zurückgenommenen nordischen Modetradition“ Saft Ditte Reffstrup. „Mich interessierte, was ich in Kopenhagen sonst auf der Straße sah: Vintagekleider, die zu Sneakern getragen wurden, Lederjacken mit Hoodies, das ganze Mix and Match.“

Die 46­-Jährige ist Kreativdirektorin bei Ganni und hat die Marke zusammen mit ihrem Mann Nicolaj 2009 übernom­men. Bis dahin war Ganni ein kleines Kaschmirlabel, bevor das Ehepaar eine dänische Erfolgsgeschichte daraus machte: 120 Millionen Euro setzten sie 2021 um. 2017 erwarb eine Investorengruppe, zu deren Teilhabern auch der französische Luxuskonzern LVMH gehört, 51 Prozent der Anteile. Inzwischen gibt es unter anderem Läden in New York, Los Angeles und Texas, in Paris und London, und soeben hat in Berlin­ Mitte der erste deutsche Ganni­ Flagship­ Store eröffnet.

Die Reffstrups hat das augenscheinlich nicht aus der Ruhe gebracht. Nicolaj sieht aus, als käme er gerade vom Sport, Ditte ist in eine oversized Strickjacke gewickelt, die nach Zuhause aussieht. Beide seien sie auf dem Land aufgewachsen, erzählt sie. Sie, die passionierte Fußballspielerin und Turnerin, er Handballer. Heute läge der Fokus mehr auf Tennis, ihren drei Kindern, und natürlich der Arbeit: „Wir sind unsichere Overachiever und umgeben uns mit Gleichgesinnten“, so Nicolaj. „Mit solchen Menschen zu arbeiten, fühlt sich gut an, so zu sein, macht manchmal weniger Spaß.“ Dabei haben sie sich einst auf einer Party kennengelernt und auch die Ganni Events lassen vermuten, dass sie auch das Partymachen gründlich zu erledigen wissen.

Doch neben der stilistischen Unbeschwertheit geht es ihnen darum, dass sie auch den Spaß an der Ernsthaftigkeit in puncto Umweltschutz in der Modewelt vorantreiben wollen. Sie selbst dokumentieren ihre Fortschritte und auch die Rückschläge auf dem Instagram Account Ganni Lab und nennen das, was sie tun, „verantwortungsvoll“. Dazu gehört unter anderem die Reduktion der Kollektionen und der Anzahl der Teile und die Marge, dass 90 Prozent der Kleidungsstücke mindestens zur Hälfte aus nachhaltigen, recycelten oder neuartigen Labormaterialien hergestellt werden.

Das Gründerpaar. Foto Alex Dobe

Neues Leder wird es ab kommendem Jahr nicht mehr bei Ganni geben. Und auch am CO2 Fußabdruck wird geschraubt: „Seit 2016 erfassen wir unseren, aber mit den herkömmlichen Methoden der Kompensation waren wir nicht zufrieden“, sagt Nicolaj. „Wir wollen nicht Ablass zahlen, sondern CO2 einfangen“. Deshalb entschlossen sie sich, ihre Zulieferer in Portugal mit einer „Solar Farm“ auszustatten – nicht nur für die grüne Energie, die daraus für die Produktion gewonnen werden konnte, sondern auch, um das Gelände drumherum nach Standards der Artenvielfalt bewirtschaften zu lassen. Auf der Kopenhagener Fashion Week stellten sie das Projekt als Fallstudie vor, legten all ihre Kontakte offen, damit andere Unternehmen es ihnen gleichtun können.

Das Engagement hat dazu geführt, dass Ganni soeben als „B Corporation“ ausgezeichnet wurde. Dabei handelt es sich um ein international anerkanntes Zertifikat, das nach einem Punk­tesystem an nachhaltige Unternehmen vergeben wird. Dazu gehören in Bereichen wie Mode oder Outdoor Marken wie Chloé, Patagonia oder Ecoalf. Ganni bekam nicht nur das begehrte Siegel, sondern erreichte einen Wert, der sie zur „zeitgenössischen Modemarke mit der höchsten Punktzahl bisher“ macht. Ganz der unsichere „Overachiever“ verkündet Nicolaj es als Etappensieg. Das „ultimative Ziel“ sei natürlich die volle Punktzahl.

 

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Heike Blümner