Berlin Fashion Week

Berlins Mode

Die Rückkehr

Der Berliner Salon wieder im Kronprinzenpalais. Dort also, wo die Werkschau von Design- und Handwerkstalenten aus dem deutschsprachigen Raum im Jahr 2015 zum ersten Mal veranstaltet wurde. Diesmal sind unter den insgesamt 51 Teilnehmern weniger alte Hasen, sondern mehr junge Talente. Das ist unbedingt gut, weil plötzlich jemand wie Sojin Park auffällt. Für ihr Upcycling-Label Assembled Half näht die Designerin aus alten Stoffen neue Teile und versieht diese mit Drucken, die sich irgendwo zwischen Graffiti, Comic und ein bisschen Gekritzel bewegen. Klingt irgendwie nach den guten und alten Zeiten?

Zuletzt wirkte die Berlin Fashion Week ja wie ein Flickenteppich aus unterschiedlichsten Formaten und Events. Die Situation verschlechterte zusätzlich der Umzug der Modemesse Premium nach Frankfurt. Dazu kam der Versuch, dort eine eigene Modewoche zu etablieren. Die Messe ist inzwischen zurück, die Schauen am Main sind gescheitert. Das Wirrwarr in Berlin scheint größtenteils beseitigt und der Blick nach vorn gerichtet zu sein. Erstmals seit Langem fühlte sich die Fashion Week wieder wie eine zusammenhängende Veranstaltung an (damit das auch so bleibt, müssen alle Organisatoren jetzt mehr denn je an einem Strang ziehen). Am deutlichsten spürbar war es an den Austragungsorten der Schauen.

 

Odeeh in der James-Simon-Galerie

 Die Locations

Wenn eine Fashion Week das Aushängeschild einer Stadt sein soll, braucht sie Backdrops, die die Stadt repräsentieren. Berlin hat nun erstmals Orte wie die Alte Nationalgalerie, den Gropius Bau und das Ludwig Erhard Haus  geöffnet. Wie Designer sie für sich und die Stadt nutzen können, ist bei Odeeh zu sehen. In der James-Simon-Galerie zeigen Jörg Ehrlich und Otto Drögsler locker sitzende Kleider, Mäntel und Hosen. Den Mix machen Metallic-Brokat, Palmenprints, Streifen, Acid-Denim und ausfransende Säume. Am Ende versammeln sich alle Models draußen auf der großen Freitreppe. Die Gäste bleiben noch einmal stehen, um Fotos zu machen: In Erinnerung werden ihnen bunte Drucke und Stoffe vor grauem Chipperfield-Beton bleiben.

 

Rianna + Nina

Die beste Kollektion

Sie verkaufen bei Bergdorf Goodman und bestücken regelmäßig das „And Just Like That“-Kostümbild: Von allen Labels, die in Berlin eine Kollektion zeigen, sind Rianna Kounou und Nina Knaudt für das erfolgreichste auf internationaler Ebene verantwortlich. Der Look von Rianna + Nina ist optisch anspruchsvoll, flirrend bunt und eklektizistisch, das Handwerk spielt sich auf Höchstniveau ab. Kounou und Knaudt nutzen den Aufgang zur Alten Nationalgalerie, um zwei Dutzend handgemachte Looks zu zeigen. Alles Einzelstücke, weil sie aus seltenen Vintage-Stoffen bestehen. Tischdecken aus den Fifties oder chinesische Stickereien aus dem 19. Jahrhundert. Wer so arbeitet wie Rianna + Nina, kann nicht aus dem vollen Schöpfen, sondern hat das zu nehmen, was gerade da und übrig ist. Dabei muss man solch ein Ergebnis erstmal hinkriegen!

 

William Fan

Die größte Show 

Kunden, Freunde, Fachleute: William Fan ist für seine eigene Fanbase bekannt. Am Abend vorm offiziellen Beginn der Fashion Week strömt sie zur Premiere eines Dokumentarfilms über den Designer in den Delphi Filmpalast („In Between“ ist aktuell in der ARD Mediathek zu sehen). Zwei Tage später zeigt Fan seine Kollektion im Gropius Bau. Die Produktion kann sich dank eines Sponsorings von Mercedes Benz sehen lassen. Auch fürs Textil gibt es einen Supporter: Gemeinsam mit John Frieda hat Fan einen Bucket Hat entwickelt. Nötig hätte es sein Stilismus nicht. Asymmetrisch fallende Kleider, doppelreihige Blazer, Seide und Strick. Das Farbschema orientiert sich an dem der Prideflagge. Dafür gibt’s vom Publikum den längsten Applaus.

 

Die Castings

Apropos Vielfalt. Die Models sind so divers wie nie. Viele Herkünfte, Silhouetten, Geschlechter und Altersklassen sind vor allem bei Richert Beil und SF1OG zu sehen. Keine austrainierten Körper, sondern echte Menschen. Früher mag es ein Nachteil der Berlin Fashion Week gewesen sein, dass kaum internationale Topmodels in die Stadt kamen. Heute sind die Castings die eine Sache, die Berlin anderen Modestädten voraus hat: Nirgendwo sonst wird auf dem Laufsteg mehr Lebensrealität abgebildet.

 

 

Der unterhaltsamste Moment 

Dazu gehört im Jahr 2023 natürlich auch das Spiel mit der Provokation. Nan Li und Emilia Pfohl vom Label Namilia, bekannt für Club- und Fetischclubwear, die auch tagsüber getragen wird, haben sich als Thema den Suggar Daddy und die von ihm abhängigen Menschen vorgenommen. Der gedankliche Überbau zur Kollektion geht ungefähr so: Wer von einem Mann zum Objekt und Statussymbol gemacht werde, habe auch das Recht den Mann als Mittel zum Zweck zu sehen und menschliches Bankkonto auszunutzen. Ihre Mode besteht am Ende vor allem aus Kleidern, Röcken und Dessous aus Fake-Krokoleder. Deren Details ahmen die wichtigsten Erkennungsmerkmale der berühmten Birkin Bag von Hermès nach. Es gibt auch Zottel-Mäntel mit spitzen Schultern und immer wieder Kruzifix-Strings. Das ist schräg, streitbar und nicht jeder findet’s schön, aber genau deshalb ganz typisch Berlin.

 

MORE TO COME IN OUR NEXT PRINT ISSUE

Richert Beil
Text
Dennis Braatz
Fotograf
Nico Kawohl