Gute Fahrt

Die PS der Pariser Fashion

Béatrice Foucher, CEO von DS Automobiles, ist eine der mächtigsten Frauen der Auto-Industrie. Ihre Vision: eine Fusion zwischen PS und Pariser Fashion, eine neue Mode der E-Mobility.

Sie möchte die Haute Couture auf die Straße bringen. Béatrice Foucher, 56, ist eine der mächtigsten Frauen der Auto-Industrie. Vor 30 Jahren startete die Ingenieurin ihre Karriere im Qualitätsmanagement von Renault, jetzt ist sie CEO der französischen Premiummarke DS Automobiles. Ihre Vision: eine Fusion zwischen PS und Pariser Fashion, eine neue Mode der E-Mobility. Wir treffen uns im Allerheiligsten des Konzerns: dem DS Design Center Paris, Denkwerkstatt für die Zukunftsmodelle.

Überall Sicherheistsschleusen, Tür-Codes, Fahrzeugstudien zugedeckt. Béatrice Foucher wirkt sympathisch unaufgeregt. Roter Hermès-Mantel, schwarze Chanel-Stiefel. Pariser Chic statt großer Entourage anderer Autobosse. Das Designteam bittet sie hinter eine der Sichtblenden. Kurze Diskussion. Ihre Augen lachen mit: „Das ist definitiv der beste Teil meines Jobs. Fantastisch zu sehen, wie die Autos entstehen“. Zum Shooting gehen wir auf das Dach, Blick auf Paris und die Mobilität von morgen. Das Concept Car „DS Aero Sport Lounge“ fährt vor. Elektrisch, 680 PS, von null auf 100 in 2,8 Sekunden. Teile des Armaturenbretts und der Rückenlehnen sind aus veredeltem Stroh, eine französische Handwerkskunst aus dem 17. Jahrhundert. Béatrice Foucher spricht von „Future Craft“ und der „L’art du voyage“, der Kunst des Reisens.

Auf dem Dach des Design-Centers Paris präsentiert Béatrice Foucher das Concept Car „DS Aero Sport Lounge“. Sie trägt Top und Hose von Akris. Stiefel und Ring: Chanel

ICON: Madame Foucher, von Ihrem privaten Balkon können Sie direkt auf den Eiffelturm schauen. Wie fühlt es sich an, mit diesem Blick aufzuwachen?

Béatrice Foucher: Es ist ein Privileg, eine tägliche Freude. Ich habe die Wohnung wegen des Ausblicks gewählt.

Sie sind Ingenieurin: Was denken Sie, wenn Sie diese ikonische Konstruktion sehen?

Es ist unbeschreiblich, wie es geschafft wurde, diesen Turm zu bauen. Die Bauarbeiter haben in hundert Meter Höhe und mehr gearbeitet, ohne Sicherung. Glücklicherweise ist niemand verunglückt. Ihre Mission hat die Arbeiter motiviert, Unglaubliches zu leisten.

Wie wichtig ist ikonisches Design?

Es ist etwas, das uns Menschen tagtäglich begleitet und uns so inspiriert. Wir werden jeden Tag motiviert, etwas Besonderes zu leisten. Natürlich ist es sehr schwierig, etwas noch nie Dagewesenes zu erschaffen. Gleiches gilt für uns im Unternehmen: Wir müssen mit der Marke DS etwas Besonderes auf den Markt bringen und einen eigenständigen Weg gehen. Wenn man sich unsere Concept Cars anschaut, dann verkörpern diese zweifelsohne die Fähigkeiten und die Kreativität unserer Designer, etwas Neues und Außergewöhnliches zu erschaffen.

 

Sie sagten einmal, dass Sie sich in Paris frei fühlen.

Die Stadt ist unglaublich und die Dichte an Menschen, die hier leben, ist wirklich hoch. Trotzdem fühlt sich die Stadt auch oft sehr klein und intim an und man kann viele Ziele in kurzer Zeit erreichen. Dadurch fühle ich mich frei und unabhängig, weil ich mich bewegen kann, wann ich will, wohin ich will.

 

Und wie fühlt es sich jetzt an: die Freiheit dieser wunderschönen Stadt – inmitten der Pandemie?

Es ist natürlich eine ganz besondere Situation aktuell. Ich nehme auch immer wieder das Fahr- rad, um die Stadt zu erleben. Für mich ist und bleibt es ein kleiner Ort, an dem ich die Freiheit habe, diese Stadt in all ihren Facetten zu genießen. Die Menschen in Paris durchströmen nur so die Straßen, sobald das Wetter schön ist. Ich hoffe sehr, dass dies ganz bald wieder der Fall sein wird. Davon lebt Paris.

In und um Paris leben 12,5 Millionen Menschen. Wenn Sie von Ihrem Balkon blicken, was ist Ihre Vision für die zukünftige Mobilität? Im Jahr 2030, 2040 – wie stellen Sie sich diese vor?

Es gibt keine gute Antwort darauf. Ich denke, ein wichtiger Faktor wird bleiben, dass die Menschen die Freiheit behalten, sich dorthin zu bewegen, wohin sie wollen. Menschen schätzen die eigene Agilität und Beweglichkeit, was in Zukunft nur noch wichtiger werden wird. Ich denke, die Freiheit, mobil zu sein und das Auto werden nicht an Wichtigkeit verlieren. Mit unserem eigenen Fahrzeug demonstrieren wir doch auch in großem Maße unsere Persönlichkeit und wer wir sein möchten – das wird auch in Zukunft so sein.

 

Und was halten Sie von dem Trend, dass viele Menschen jetzt schon deshalb ein Auto kaufen wollen, es virenfrei ist – und damit sicherer als öffentliche Verkehrsmittel?

„Mein Auto, mein Palais.“

Die Leute wollen die Freiheit, dorthin zu gehen, wohin sie wollen, wann sie wollen – in die Berge, in die Stadt oder wohin auch immer. Menschen zeigen gern ihren Erfolg und ihre Stärke durch ihr Auto. Hinzu kommt nun der Schutz, den das eigene Auto bietet. Wir Menschen haben alle ein Sicherheitsbedürfnis – nicht nur für uns selbst, sondern vor allem auch für unsere Familien. Und auch wenn ich gewiss kein pessimistischer Mensch bin, glaube ich nicht, dass wir das Virus in unmittelbarer Zukunft loswerden. Dadurch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass dieser Sicherheitsaspekt weiterhin sehr wichtig sein wird.

 

Sie sind seit 30 Jahren in der Autobranche, waren Director Electric Cars. DS Automobiles hat die Formel-E-Meisterschaft gewonnen.

Ich denke, E-Mobilität ist das Beste, was wir im Hier und Jetzt tun können. Vor allem aufgrund der Geräuschlosigkeit. Stille, Platz und Komfort sind der Luxus heutiger Fahrzeuge. Das ist meine Vorstellung. Heute haben wir für jedes DS- Modell eine elektrifizierte Version auf dem Markt. Die Autonomie von Plug-in-Hybriden wird weiter wachsen und für einen noch größeren Teil der Menschen das ideale Antriebskonzept sein. Heute sind Elektroautos noch limitiert in ihrer Autonomie beziehungsweise Reichweite und durch die Zeit des Aufladens. Schon bald wird dies kein Problem mehr sein. Elektrizität wird ein integraler Bestandteil des automobilen Luxus sein. Daran arbeiten wir.

 

Haben Sie einen Zeitplan, dass in fünf oder zehn Jahren die komplette DS-Flotte elektrifiziert sein wird?

All unsere Bemühungen gehen in genau diese Richtung. Wir bewegen uns unaufhaltsam in Richtung E-Mobilität und haben bereits heute die beste CO2-Bilanz in Hinblick auf die Emissionswerte aller Multi-Energie-Marken in Europa. Wir bauen bereits ein immer größeres Portfolio an Plug-in-Hybriden und werden in den nächsten Jahren ebenfalls die Zahl der rein elektrischen Modelle erhöhen. Ab 2025 werden alle neuen Modelle ausschließlich in einer elektrifizierten Version auf den Markt kommen.

DS Automobiles ist der Newcomer in einer Autowelt voller Historie.

Richtig, wir sind eine sehr junge Marke, was uns allerdings auch eine Menge Freiheiten erlaubt. DS Automobiles wurde zwar erst 2015 gegründet, aber inspiriert werden wir von einer traditionsreichen Ikone: der historischen DS von 1955. Wir haben also das Beste aus zwei Welten: das traditionsreiche Erbe wie auch die Freiheit, etwas ganz Neues zu erfinden. Die ikonische DS bietet Handwerkskunst, Raffinesse und Technologie und inspiriert uns für die heutigen Serienfahrzeuge enorm. Die Werte von Individualität und Innovation lassen wir in den heutigen Fahrzeugen weiterleben.

Sie betonen bewusst die Nähe zwischen Ihren Fahrzeugen und der französischen Fashion.

Exakt, wir verkörpern das Pariser Luxus-Savoirfaire in der Automobilbranche. Wir kombinieren hochwertigste Materialien mit traditioneller Handwerkskunst. Das Concept Car „DS Aero Sport Lounge“, das Sie hier sehen, zeigt unsere Vision von „Future Craft“ in bester Manier.

Alle reden von Sustainability. Sie haben ein neues Wort kreiert: „SustaiNobilty“.

Richtig. Wir verwenden nur edle und hochwertige Materialien in unseren Autos, aber wir achten auf die Nachhaltigkeit unserer Produktion. Wir bieten immer noch höchste Lederqualität, aber wir schauen auch nach edlen und eben nachhaltigen Materialien. So wie die Strohmarketerie, die wir für das Armaturenbrett unseres Concept Cars verwenden. Es handelt sich dabei um eine fast vergessene Handwerkskunst, bei der Stroh – das originär ein sehr einfaches Material ist – aufgeschnitten und geglättet wird. Dadurch entsteht eine extrem edle, goldbraun-glänzende Oberfläche. Es ist ein einzigartiges Ergebnis. Wir haben uns entschieden, mit außergewöhnlichen und oft unerwarteten Materialien zu arbeiten, die durch feinste Handarbeit hergestellt werden.

 

Arbeiten Sie mit anderen Luxusmarken zusammen?

Ja, das ist tief in unserer Markenidentität verankert. Wir holen immer wieder Handwerks Designsitzen im Bracelet- oder auch Uhrenarmband-Stil. Bei DS ähneln wir dem Musée du Louvre mit seiner Pyramide: Es geht um die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft.

 

Im Januar 2020 wurden Sie CEO – aber statt Champagner kam Covid-19 …

Ja, mein stetiger Begleiter. Es ist natürlich eine absolute Ausnahmesituation.

 

Wie wirkt sich das auf Ihren Workflow aus?

Es hat sich tatsächlich sehr viel verändert. Ich wollte jedes Land besuchen, um alle persönlich kennenzulernen. Aber durch die Pandemie musste ich eine Verbindung aus der Ferne her- stellen. Letztendlich haben wir es hinbekommen, was man vorher wohl nicht gedacht hätte – auch wenn ich es durchaus bedaure, dass ich nicht reisen konnte, um die Mentalität der Menschen besser zu verstehen und von ihren Erfahrungen face to face zu lernen.

 

Kann man ein Unternehmen wie Ihres nur mit Video-Calls führen?

Menschen für die eigene Strategie zu begeistern und sie ins Boot zu holen geht natürlich viel besser persönlich.

Wie hier im Design-Center. Das Team hat Ihnen gleich neue Ideen präsentiert.

Ich liebe es: Die Arbeit mit den Designern an den neuen Kreationen – es ist unglaublich. Wenn wir an den Mock-ups arbeiten und alles vom ersten Vorschlag in Bewegung kommt, daraus etwas Ganzheitliches und Überzeugen- des entsteht … das ist spannend und ein echtes Vergnügen. Manche Leute hassen ja eine weiße, leere Seite – ich liebe sie.

 

Sie lieben die weiße Seite?

Selbst wenn Sie nicht wissen, was Sie schreiben sollen, kommen Menschen mit den kreativsten Ideen zu Ihnen, und am Ende des Tages haben Sie einen finalen Entwurf. Ich ziehe eine Menge Motivation aus diesem Prozess.

 

Was inspiriert Sie?

Die Inspiration kann von überall kommen. Nicht nur aus dem automobilen Bereich. Man muss neugierig sein, lesen, mit Menschen reden, diskutieren, mit offenen Augen und Geist durchs Leben gehen. Ich habe natürlich nicht alle Ideen selbst – so kreativ bin ich nicht –, aber ich habe Menschen um mich herum, die mich mit tollem Input unterstützen.

 

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? Und wie motivieren Sie Ihr Team – besonders jetzt?

Ich denke, man muss ihnen ein tolles Projekt geben, für das alle gern Arbeit investieren. Ich würde sagen, dass ich eine sehr positive Denk- weise und neue Ideen liebe. So ist einfach meine Persönlichkeit.

 

Und das Schönste an Ihrem Job?

Die Arbeit an den zukünftigen Autos mit den Design- und Produktplanern. Weil wir gemeinsam an der Zukunft arbeiten.

 

Text
Tom Junkersdorf
Fotografin
Stephanie Füssenich
Styling
Gemma Bedini