Wunderkammer

Im Ku­rio­si­tä­ten­ka­bi­nett

Ein Besuch bei James Perkins gleicht einer Reise in ein Paralleluniversum. Auf seinem Landsitz bei Oxford gibt es Pinguine, Schaukelzebra, eine Giraffe an der Decke. Eine ideale Shooting-Kulisse, die nun versteigert wird.

Die Auffahrt von Aynhoe Park ist typisch britischer Landsitz. Ein ordentlich geharkter Kiesweg, den man zur Hälfte umrunden muss, führt zu einer eher schlichten Eingangstür. Kein Schloss für Downton Abbey, doch drinnen wird es filmreif. Gleich zur Linken begrüßt ein ausgestopfter Schimmel, der auf einem schwarzen Flügel liegt und zu einem Einhorn umfunktioniert wurde, zur Rechten steht ein ebenfalls ausgestopfter Eisbär mit umgelegtem Union Jack und Militärkappe auf dem Kopf. Skurriler britischer Humor. Und das war nur die Empfangshalle.

Die „Times“ hat das Anwesen von James Perkins im beschaulichen Oxfordshire, eine Zugstunde entfernt von Londons Trubel, im vergangenen Jahr zum „coolsten Haus Großbritanniens“ gekürt. Der 48-Jährige, Typ Landlord, ist durchaus stolz darauf. „Aber wissen Sie, ich habe nur versucht, dem Haus seinen ursprünglichen Sinn wiederzugeben. Es wurde gebaut, um zu unterhalten.“ Auf der Erkundungstour durch Salon, Speisesaal, Orangerie, in der neben übergroßen Discokugeln eine Giraffe an Luftballons von der Decke baumelt, die Bibliothek und eine große (überaus gut sortierten!) Bar mit schweren Chesterfield-Möbeln gibt es viel zu staunen. Überall stehen liebevoll kuratierte Skurrilitäten scheinbar zufällig herum. Von einer Koffertruhe aus dem 19. Jahrhundert, die irgendwann mal im Orient-Express mitreiste, grüßt ein Pinguin. Ein Zimmer weiter wiederum steht aufrecht ein Krokodil mit Tablett in den Händen. Nur die Gläser fehlen. Gin Tonic, Darling? Die Fantasie scheint mit mir durchzugehen, ich höre schon die Tiere sprechen und überlege kurz, wie es wohl sein mag, nach Mitternacht hier herumzustöbern. „Nachts im Museum“ reloaded?

James Perkins, den schon als Kind die Dinner-Partys seiner Eltern, sie war Antiquitätenhändlerin, er Wachmann, beeindruckten, fing eines Tages einfach an zu sammeln. Für die über 4800 Kunstwerke, ausgestopften Tiere und architektonischen Skulpturen schien ein Ort wie Aynhoe Park, das 1615 erbaut wurde und zu dem mehr als 60 Hektar Land gehören, ideal. Seit Mitte der der 90er-Jahre hatte er davon geträumt. Damals organisierte er hauptberuflich noch wilde Raves und Musikevents. Inzwischen hat er das Restaurieren und Entwickeln baufälliger Landsitze zu seinem Beruf gemacht. Es ist bereits das vierte Haus, das er besitzt und wie die Vorgänger liebevoll restauriert hat. Dieses war von seinem Lieblingsarchitekten Sir John Soane Ende des 18. Jahrhunderts modernisiert worden und bietet ihm, wie er es nennt, „eine Leinwand, die ich frei gestalten kann“.

Inzwischen ist der 39-Zimmer-Komplex auch Zuhause, im Seitenflügel lebt er mit seiner Partnerin Sophie und den drei Kindern. Und wenn er wie so oft im Jahr verreist ist, immer auf der Suche nach neuen Artefakten für die Sammlung und seinen Online Shop „A Modern Grand Tour“ (das Haus ist schließlich sein „Business“), dann vermietet er das Anwesen. Schließlich habe er Aynhoe Park gekauft und nicht geerbt. Das mache einen Unterschied: „Wissen Sie, wenn man ein Haus wie Aynhoe erbt, erbt man nicht automatisch das Gespür dafür, wie es ist, es wie eine Firma zu lenken.“

So finden hier Hochzeiten wie die von Mick Jaggers Tochter statt oder der 50. Geburtstag von Noel Gallagher von Oasis. „In den Sommermonaten ist hier viel los. Idealerweise wird alles meinem Terminkalender angepasst. Wenn ich unterwegs bin, ist das Haus zu haben. Manchmal, wenn ich doch da bin, mische ich mich unter die Gäste.“ So ungewöhnlich wie die Sammlung selbst: Perkins lässt die Gäste mit seiner Sammlung leben, Verbote gibt es nicht. Sein Haus ist ihr Haus. Auch ich stromere (von Menschen) unbeobachtet durch die Zimmer. Im oberen Stockwerk befindet sich ein Teil der 28 Suiten und Gästezimmer. Keines gleicht dem anderen. Immer wieder neu.

„Die Sammlung muss mich immer wieder inspirieren, es ist schließlich kein Mausoleum.“

2012 versteigerte Perkins rund 450 seiner Stücke für mehr als drei Millionen Pfund auf einer Christie’s-Auktion und begann wieder von vorn. Freiwillig, denn „die Sammlung muss mich immer wieder inspirieren, es ist schließlich kein Mausoleum“. Nun versteigert Perkins das gesamte Interieur in einer Onlineauktion.

In den letzten 17 Jahren habe er manches Zimmer bestimmt schon drei bis viermal umgestaltet. Aber er ändere nichts, um der Sache willen, sondern weil er Spaß daran habe, etwas zu verändern. Er kann auch genießen. „Erst neulich waren Freunde zu Besuch, wir hatten ein tolles Dinner, saßen um den Kamin herum, tranken meinen Lieblings-Vintage-Tequila. Ein toller Abend.“

Ob er ein Lieblingszimmer hat? Je nach Tages- und Jahreszeit, gibt er zu. „Ich komme gerade aus der Küche, und unser Koch hat etwas Köstliches zubereitet. Das ist einer meiner liebsten Räume“, sagt er und lacht verschmitzt. „Aber ich liebe auch meine Bar, vor allem, wenn mein Team hinterm Tresen steht und mit Zutaten aus dem Garten einen neuen Cocktail mixt. Ich liebe den Maulbeerbaum im Garten, wenn er blüht. Unseren Klub im Untergeschoss – aber erst nach ein Uhr nachts. Alles zu seiner Zeit eben.“ Und: „Natürlich mag ich auch mein Büro, das wir die Bibliothek nennen. Ich sitze auf einem alten Thronsessel von Königin Elisabeth II. oft bis spät in die Nacht.“ Die geheime Bar in Griffweite.

Eigentlich müsste er das Haus nie verlassen. Briten seien keine Outdoor-Menschen. „Wir können nicht immer Rad fahren oder in der Sonnen sitzen. Wir müssen unser Vergnügen drinnen finden können, wenn das Wetter nicht mitspielt. Und dafür braucht man gutes Essen und gute Drinks. Wir Briten sind Geschichtenerzähler, sprechen über unsere Trophäen, hängen unsere Erfahrungen quasi an die Wände, und das löst Konversation aus.“ Man wünscht sich plötzlich, das auch die Wände reden.

Noch bis zum 22. Januar findet die Auktion „The Celebration of A Modern Grand Tour“ online statt

Text
Caroline Börger
Fotos
Cathleen Naundorf
Model
Betty Doye