Sie ist eine der bekanntesten Blumenkünstlerinnen der Welt. Die Amerikanerin Ann Wood erschafft skulpturale Pflanzen. Sie sind so schön wie das Original und nun sogar im Museum zu sehen.
Sag’s mit Blumen
Die erste Wohnzimmer-Tulpe erblühte im März. Sie hat einen zartgrünen Stängel, Blätter und eine rote, geöffnete Blüte. Innen leuchtet die gelbe Narbe, und die Staubbeutel sind gut zu erkennen. Auch Monate später hat der Frühblüher nichts an Schönheit eingebüßt. Und seine Erschafferin Ann Wood hat während des Lockdowns in Minneapolis weitere Blumen von Hand zum Leben erweckt, während vor ihrem Fenster die Natur das Gewand wechselte.
Die 59-Jährige mit der einnehmend sanften Stimme ist ausgebildete Künstlerin, Bildhauerin und Fotografin, und bis vor vier Jahren besaß sie noch nicht einmal ein Smartphone. Heute ist sie eine der bekanntesten Blumenkünstlerinnen der Welt. Weit über hunderttausend Menschen schauen ihr unter @woodlucker auf Instagram beim Wachsen ihres Werkes zu.
Ihre Pflanzen, Blumen sowie etwas Obst und Gemüse sind Teil einer Mission: „Mir geht es um das Geheimnis der Natur“, erzählt sie am Telefon. „Wenn ich an einer Arbeit sitze, ist sie lange Zeit einfach nur schön, aber dann gibt es diesen Moment, in dem etwas passiert und ich der Essenz der Natur näher komme. Danach suche ich immer wieder aufs Neue.“
In ihrem Atelier, das sie derzeit aufgrund der Corona-Krise nicht aufsuchen kann, versammelte sie jede ihrer Arbeiten an einer großen Wand, der „Flower Wall“. Kurz vor dem Lockdown schickte sie einen Großteil dieser Installation nach Den Haag, wo sie derzeit im Kunstmuseum in der Ausstellung „Royal Blue“ zu sehen ist. Dort werden die letzten existierenden „Blumenpyramiden“ aus dem 17. Jahrhundert sowie einige historische Reproduktionen des berühmten Delfter Porzellans gezeigt. Die künstlichen Blumen korrespondieren mit den Objekten, die einst eigens dafür erschaffen wurden, die Schönheit von Blumen in Szene zu setzen.
Die Kuratorin der Ausstellung, Suzanne Lambooy, sieht einen weiteren Bezug zu Woods Arbeit: „Die Natur künstlerisch zu erobern und zu überhöhen war ein Motiv des Barocks.“
Aufgewachsen ist Ann Wood in Iowa: „Ich bin eine echte Farmerstochter aus dem Mittleren Westen“, sagt sie. Eine jedoch, die nach ihrer Ausbildung in die Großstadt zog und sich von der ländlichen Herkunft entfernte. Blumen und Pflanzen mochte sie schon immer, aber erst als ihr Vater, der Landwirt, im Sterben lag, schärfte sich ihr Blick auf die Ästhetik der Natur neu: „Er war über 90, und in den letzten Tagen seines Lebens wollte er vor allem über die Schönheit der Natur sprechen.“
Davon inspiriert, brach die Tochter nach seinem Tod in eine neue künstlerische Phase auf. Die Blumen konstruiert sie nach Originalvorlagen und mit unterschiedlichen Techniken und Materialien wie Draht, Holz, Ton und Stoff. Das Papier bemalt sie per Hand, um feine Schattierungen der Gewächse zu betonen. Krepppapier, ein beliebtes Material bei künstlichen Pflanzen, verwendet sie nie. Ihre Blumen seien „keine hübschen Arrangements“, sondern „Skulpturen“ im Kunstkontext. „Künstliche Blumen wirken schnell kitschig. Woods Arbeit hingegen ist kraftvoll, lebendig und wunderschön“, so die Kuratorin von „Royal Blue“.
Letztlich geht es um eine verbindende Kraft: Stiefmütterchen, Dahlien oder Hyazinthen vereinen Menschen auf der ganzen Welt in ihrem Verständnis von Schönheit. In Zeiten wie diesen immerhin ein Anfang.
Die Ausstellung „Royal Blue“ läuft bis zum 22.11. im Kunstmuseum Den Haag.