Kooperativ

Renn mit der Zeit

Daniel Arsham ist einer der beliebtesten Künstler der Luxusbranche, sein neuester Kooperationspartner ist die Uhrenfirma Hublot.

Daniel Arsham sitzt in einem Konferenzraum in einem Hotel in Miami. Alles in dem Raum ist beige, nur Arshams Kappe leuchtet in Neonorange und an seinen Handgelenken funkelt Schmuck von Tiffany. Am Abend vorher, erzählt er, habe er in einem Restaurant in der Nähe seiner alten Highschool zu Abend gegessen. „Danach bin ich dorthin gelaufen und habe sie fotografiert“, sagt er. Vielleicht muss sich Arsham manchmal selbst daran erinnern, wie weit er gekommen ist. Arsham ist in Cleveland geboren und in Miami aufgewachsen. Seit 20 Jahren arbeitet der Amerikaner erfolgreich als Konzeptkünstler, vertreten wird er von der renommierten Galerie Perrotin, die 2003 seine erste Ausstellung ermöglichte. Aber seine wohl wichtigsten Kooperationspartner sind die größten und berühmtesten Namen der Luxusbranche: Firmen wie Porsche, Tiffany, Dior, Rimowa. Kaum ein Künstler wird von Mode- und Lifestylebrands so hofiert und für Projekte eingebunden wie der 42-Jährige.

Arsham hat das Kooperationsprinzip zu einem integralen Bestandteil seiner Arbeit gemacht.

 

Nun hat er sich mit der Uhrenfirma Hublot zusammengetan. Er wird als Botschafter auftreten sowie diverse Projekte entwickeln und eine Uhr entwerfen. „Was mich daran am meisten interessiert, ist das Experimentieren mit Materialien. In der Hublot-Manufaktur gibt es dafür einen eigenen Bereich, und ich darf da rein und ein wenig spielen.“

 

Seine Werke sehen aus wie archäologische Relikte, sogar seine Modekollektion soll gebraucht aussehen. Über den Entwurf für seine Hublot-Uhr denkt Daniel Arsham gerade nach, hier trägt er eine „Big Bang Unico Blue Sapphire 45mm“

Dass Arsham während des Interviews auch über sein Verhältnis zur Zeit spricht („Ich bin immer pünktlich“), ist nicht nur im Hinblick auf den Auftraggeber angebracht. Zeit spielt im Werk des Künstlers eine maßgebliche Rolle. Moderne Objekte und Symbole der Popkultur – ein Auto, ein Gameboy, eine Pokémon-Figur oder eine Tiffany-Schmuckschachtel – sehen bei ihm aus, als hätten sie über Jahrhunderte unter Geröll oder Erdmassen gelagert, wirken wie archäologische Relikte, die von einer vergangenen Zeit erzählen. Arsham bezeichnet sein Konzept als „fiktionale Archäologie“, und die Art und Weise, wie er bekannte Motive und Objekte verfremdet und verzerrt, gefällt auch Pharrell Williams oder Jay-Z, Freunde und Fans des Künstlers. Seit einem Jahr führt er zudem eine eigene Modemarke, Objects IV Life. „Anders als ein Kunstwerk ist Kleidung dafür gemacht, dass man sie anfasst. Viele Materialien und Elemente, wie Schnallen oder Haken, sind absichtlich so hergestellt, dass sie sichtbar altern, Patina kriegen“, sagt er.

Arsham, der mit seinem jungenhaften Gesicht, der runden Brille und Streetwear aussieht wie eine Mischung aus einem Computer-Nerd und einem Stammkunden des Concept Store Dover Street Market, hat über eine Million Instagram-Follower. Er gehört jener Sorte Künstler an, die mit der in der Kunstwelt zunehmend selbstverständlichen Dialektik aus Kommerz und Kreativität, Botschaft und Business, nicht hadert, sondern sie für sich nutzt. „Einer meiner ersten Kooperationspartner war Adidas, und mein Galerist Emmanuel Perrotin hat mich damals gefragt, wie ich nur meine Arbeit hergeben könne, um ein Produkt zu verkaufen.

Aber ich habe darin immer einen Weg gesehen, andere Menschen zu erreichen, die nicht in Museen oder Galerien gehen.“

 

Land Art „Light & Time“ in Zermatt von Arsham für Hublot

Sein multidisziplinärer Ansatz sowie eine unermüdliche Ergebenheit zu seiner Arbeit und die Bereitschaft, dafür einen Großteil des Jahres auf Reisen zu verbringen, hat Beobachter schon zu Vergleichen mit dem 2021 verstorbenen Designer Virgil Abloh verleitet. Abloh war ein guter Freund von Arsham. „Sein Tod und was er hinterlassen hat, dieses Universum und dieses Erbe – das hat mich definitiv mehr darüber nachdenken lassen, was ich mit dem Rest meiner Zeit anfangen will. Ich glaube, ein zentraler Punkt in Virgils Arbeit war, dass unser größter Wert Zeit ist und wie wir sie nutzen.“ In diesem Jahr feiert Arsham das 20. Jubiläum seiner ersten Ausstellung in der Galerie Perrotin in Paris. Mit 23 Jahren gelang es ihm damals, jedes einzelne Werk zu verkaufen. „Erst vor Kurzem hat mir mein Galerist offenbart, dass er damals jedes Werk gekauft hat“, sagt er. „Er wollte mich auf diese Weise motivieren.“ Perrotin hat seinem Schützling Zeit geschenkt. Und der hat sie genutzt.

 

Text
Silvia Ihring
Fotos
Hublot