AM ARM

ERZÄHL MIR VOM MEER

Seit 15 Jahren trägt Inga Griese mit Freude ihre Louis Vuitton „Tambour“. Aber nicht, weil sie wissen will, wie spät es ist.

Damit hier gar nicht erst eine Erwartungshaltung aufkommt: Wenn es um Uhren geht, bin ich leidenschaftlich oberflächlich. Ich kaufe (oder wünsche) sie mir einzig aus optischen Erwägungen. Schmuck ist nicht so meine Sache, obwohl mein Mann da sehr, sehr schöne Schatullen großzügig angereicht hat, und ich sie hüte, aber nach den glamourösen 90er- und Jahrtausendwende-Jahren entfalteten die großen Abendkleid-Veranstaltungen nicht mehr den gleichen Glanz, insgesamt wurden sie auch weniger und weniger reizvoll. Zu täglich trage ich Ohrringe (wenn ich dran denke) und immer am rechten Handgelenk die Bänder mit den Anhängern für jedes Kind und Enkelkind. Und seit meinem 60. Geburtstag die feine Kette mit dem gravierten Anhänger #Familie, mein Schutzschild von den Kindern. Liebelei, nicht Werteschrei. Selbstverständlich fasziniert mich schöner Schmuck, ich könnte ihn stundenlang bewundern. Aber es verhält sich wie mit berührenden Bildern im Museum. Ich käme gar nicht auf die Idee, so etwas bei mir aufzuhängen.

 

Das weiße Armband ist das Original und steht für die ewige Sehnsucht nach dem Meer
Für Harry gilt: Hauptsache Kuscheln egal zu welcher Zeit
Die Zeitumstellung sagt: Herbst. Die Rosen sagen: Pah!
Es wird höchste Zeit für die große Adventskalenderwicklung

 Aber wenn es um Uhren geht, hab ich eine kleine Macke. Sucht womöglich.

Im Laufe der Jahre ist da ein ganzes Reservoir an Schätzchen zusammengekommen, vor allem Alltagsfreunde. Die Uhr fürs Leben kommt in vielen Varianten und Farben – Leben eben. Mit Hermès, nur als Beispiel führe ich eine abwechslungsreiche Beziehung, nicht nur in Modellhinsicht, sondern mehr noch, weil jede Jahreszeit und Laune ihre unterschiedlichen Uhrenbänder haben kann. Ich bevorzuge keine meiner Begleiterinnen, die Wahl ist eher intuitiv, aber da ist doch die eine, die eine ganz besondere Geschichte erzählt. Die Louis Vuitton „Tambour Lovely Cup“, im Original mit einem schneeweißen Gummiarmband, das nach 15 Jahren im Sommer mal frisch ersetzt werden musste. Da es nicht vorrätig war, habe ich die Gelegenheit genutzt, der Versuchung nachzugeben und gleich zwei Wechselbänder erworben. Heute gehört es zur Grundausstattung von Armbanduhren, damals war es ein cooles Gimmick, dass man mit einem einfachen Klick mal eben das Band wechselt. Wobei ich kein Verlangen hatte, das weiße Gummi schien ultimativ wie die ganze Uhr. Ein Chronograph mit einem gewissen optischen Wumms, aber noch filigran genug für einen Micky-Maus-Unterarm. Sie hat zudem viele Raffinessen und Fähigkeiten, wobei ich bis heute nicht weiß, wie sie einzusetzen sind, weil ich sie nicht deswegen besitze.

Ich kann auch die Zeit nicht immer gut ablesen, die silbernen Zahlen auf dem Perlmutt-Grund brauchen einen bestimmten Lichteinfall, um deutlich zu werden. Oder Dunkelheit, dann leuchten die Zeiger so herrlich. Und allein die Monogramm-Blüte, die sich über der Sechs kontinuierlich dreht, als wäre sie eine etwas lahme Unruh, was sie nicht ist, ist ja ein Quarzwerk. Dazu die kleinen Alphabetflaggen für L und V: zauberhaft. Alles an dieser Uhr ist elegant und schön. Und: Sie erzählt vom Segeln. Vom ganz großen Sport, dem America’s Cup. Ich habe sie zum ersten Mal im Mai 2006 in Valencia getragen, als Zuschauerin bei den Regatten zum Louis Vuitton Cup, wie die Vorentscheidungen zum Cup-Finale seit 1983 hießen. Seinerzeit hatte der Franzose Bruno Troublé nämlich eine geniale Idee. Bis dahin hatten die Herausforderer im prestigeträchtigen Segel-Duell ihre eigenen Ausscheidungen organisiert, ein enormer Auf- wand zusätzlich zu den Team- und Bootkosten. Troublé, selbst Skipper, fragte sich und die anderen Herausforderer: „Warum zahlen wir und nicht ein Sponsor?“ – „Finde doch einen!“ blökten die zurück, und der Rechtsanwalt rief beim Chef von Louis Vuitton an. Das war nicht so naheliegend, wie es heute klingt. LV war damals noch ein schlafender Luxusriese und Sponsoring nicht das ganz große Ding. Doch Troublé hatte nach einer Stunde eine 250.000- Dollar-Zusage. Ohne PR-Meeting, ohne Powerpoint-Präsentation. Das ging damals noch. Seither kamen einige Nullen zum Betrag hinzu, der Cup wurde zu einem wirklich großen Wettbewerb. Zu Wasser, zu Lande und im Merchandise-Handel. Doch die „Tambour“ ist kein Fanartikel, sie ist ein Klassiker der Moderne, für Männer, für Frauen, mit immer neuen und wiederkehrenden Raffinessen und Ausführungen. Aber mir muss sie nichts von Zeit erzählen, sondern nur vom Meer.

Text + Bilder
Inga Griese