Alles Gold, was glänzt

 Klassische Formen, schweres Material – so sieht Pradas Einstieg in die Welt des Echtschmucks aus. 

 

Um die Einladung nach Mailand wurde ein Geheimnis gemacht. Wenn Prada ins Heimatrevier abseits der Mailänder Modewoche einlädt, gilt es etwas Neues zu verkünden. Ein neuer Designer? Wohl kaum, denn Raf Simons, den Miuccia Prada 2021 an ihre Seite holte, erfüllt die Hoffnungen in ihn. Im obersten Stockwerk des Stammhauses in der prächtigen Galleria Vittorio Emanuele, in dem das „Osservatorio“ untergebracht ist, der Satellit der Fondazione Prada, wird die Antwort präsentiert. Auf einmal steht man auf einem flauschigen Teppich vor weißen Ledersofas. Statt mit Kunst bestückt, sind die Wände mit Stoff in markentypischer Pistazienfarbe bespannt. Überall stehen Vitrinen. Neben einer wartet bereits Timothy Iwata, der neue Jewelry Director. Es glänzt allenthalben golden. Ketten, Armbänder, Ringe. Auch an seiner Hand. 48 verschiedene Stücke zählt die neueste Produktkategorie der Italiener: Echtschmuck. Ganz schön viel für den Anfang. Aber es gilt ja auch aufzuholen. Andere Modemarken offerieren seit Langem mehr als Modeschmuck.

Doch Prada startet klassisch und konzentriert mit nur einem Material: Gold. „Mit Schmuck können wir unsere Mode und unsere Designphilosophie erweitern“, sagt Timothy Iwata. Vor einer Vitrine mit einer abstrakten Schlangenarmspange bleibt er stehen. Ein Motiv, das man nicht auf Anhieb von Prada erwartet hätte. „Wir haben uns zu Beginn vor etwa zwei Jahren viele Fragen gestellt“, erinnert er sich. Warum kaufen Menschen Schmuck? Was sind Klassiker in diesem Segment? Wie könne man sie Prada-typisch umsetzen? „Wir hatten einen sehr philosophischen Ansatz. Es geht um die Idee der Konsistenz, die all dem zugrunde liegt, vom Herz über die Schlange bis zum Dreieck – all das ist die philosophische Neuerfindung der Archetypen klassischer Schmuckformen“, erklärt der Japaner, den die Modekritikerin Suzy Menkes bereits im November 2021 am Rande einer Prada-Show entdeckte und fotografierte, wobei sie unter den Post auf Instagram schrieb: „Ich kann es kaum erwarten, was Timothy bei Prada wohl als Geheimmission übernimmt.“ Bis dahin war er bei Cartier als Global Innovation Officer tätig. In der Schmuckbranche also kein Unbekannter.

„In der griechischen Mythologie war die Schlange immer ein Symbol für Fruchtbarkeit, Verwandlung und Wiedergeburt, und wenn man nach Ägypten fährt, sieht man das Symbol überall. Doch wir haben einen anderen Antrieb: Wir möchten den Dialog über Nachhaltigkeit in der Branche eröffnen. Wir wollen sie verändern. Die Schlange ist auch ein Symbol für den Wandel.“ Und der ist das, was die Italiener antreibt. Die gesamte „Eternal Gold“-Kollektion ist aus 100 Prozent recyceltem, nachhaltigem Gold gefertigt, das auch aus alten Computerchips stammt. Bereits seit 2012 setzt Prada auf Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit Partnern lassen sie Plastikmüll aus den Meeren fischen, reinigen ihn, um daraus den Stoff zu fertigen, der später zu Taschen oder Kleidern wird. 100 Prozent des bei Prada verwendeten Nylons ist inzwischen Re-Nylon, das upgecycelt wurde.

„Nachhaltigkeit ist tief in der Prada-DNA verankert, seit zehn Jahren veröffentlichen wir Nachhaltigkeitsberichte, denn Transparenz ist die Grundlage für Nachhaltigkeit“, erklärt Iwata. Nicht nur die Materialien sind zertifiziert, sondern auch alle Lieferanten seien zu 100 Prozent durch den Code of Practice des Responsible Jewellery Council identifiziert. Und auch die verwendeten Pavé-Diamanten können zurückverfolgt werden. „Normalerweise sind 80 Prozent aller im Luxussegment verwendeten Diamanten Pavé-Diamanten. Die Rückverfolgbarkeit ist jedoch nur bei Diamanten möglich, die größer als 0,5 Karat sind. Sie müssen zertifiziert und gelasert sein, erst dann sind sie zertifiziert.“ Hinterlegt ist das alles beim Aura Blockchain Consortium, das von LVMH, Cartier und Prada 2021 gegründet wurde. „Besitzer können die Echtheit und Zusammensetzung ihres Schmuckstücks jederzeit mit dem Handy überprüfen“, erklärt er und schaut dabei auf seine funkelnden Prada-Dreieck-Ringe herunter. Dass der Schmuck weder weiblich noch männlich sei, ist für Timothy Iwata eine Selbstverständlichkeit. „Davon haben wir uns befreit.“

Text
Caroline Börger
Fotos
Prada